242 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
neuen acht Provinzen mußten die ständischen Körper sich decken, wenn
nicht eine Kluft entstehen sollte zwischen der Verfassung und der Ver-
waltung. Dicht vor Augen stand ja das abschreckende Beispiel Hannovers,
wo Verwaltungsbezirke und ständische Provinzen in wirrem Gemenge lagen.
In solchem Sinne sprach Vincke, Schönberg und, als erfahrener
Verwaltungsbeamter, sogar Schuckmann. Aucillon dagegen hielt für
wünschenswerth, daß die moderne Verwaltung vielmehr ihre Provinzen
wieder nach den altständischen einrichte. Zum Glück ward die Hohlheit
dieses doktrinären Einfalls sofort handgreiflich nachgewiesen, da die engere
Vaterlandsliebe nochmals ihre Bitten und Beschwerden vor den Thron
brachte. Die schlesischen Einberufenen verlangten den Schwiebuser Kreis
für ihre Provinz zurück; unter den westphälischen Notabeln sprachen
Merveldt und Hövel für die Herstellung der alten Territorien. Der zu
Neumark geschlagene Lebusische Kreis, die Heimath des alten Marwitz, bat
um Wiedervereinigung mit der Kurmark. Der Kreis Schievelbein, tief
in Hinterpommern gelegen, doch vormals zur Neumark gehörig, forderte
die Rückkehr zum alten Vaterlande; die benachbarten Dramburger Stände
aber, die sich genau in derselben Lage befanden, betheuerten dem Kron-
prinzen, sie wollten bei Pommern bleiben. Am lautesten klagten die treuen
Altmärker; sie schrieben dem König: „Die Trennung der Altmark, des
ältesten Bestandtheils der glorreichen preußischen Monarchie, von den
übrigen Marken hat zugleich mit der Losreißung von der Monarchie selbst
stattgefunden, darum bitten wir, auch das Andenken daran auszulöschen."
Die kurmärkischen Notabeln dagegen wünschten die Altmark nicht wieder
aufzunehmen, die sächsischen wollten sie nicht aus ihrem Provinzial-Land-
tage ausscheiden sehen.)
Die offenbare Unmöglichkeit, allen diesen widersprechenden particula-
ristischen Wünschen zugleich zu genügen, und das gebieterische Bedürfniß
geordneter Verwaltung zwangen die Commission endlich doch, die ständischen
Landschaften im Wesentlichen den Grenzen der neugebildeten Provinzen
einzufügen. Nur das Stammland der Monarchie sollte in seiner alt-
historischen Herrlichkeit wiederhergestellt werden: die Altmark und die
pommerschen Theile der Neumark traten wieder in den Verband der
brandenburgischen Provinzialstände; mit ihnen freilich auch Jüterbog und
die Niederlausitz, die niemals zu den Marken gehört hatten. Also haben
die Verehrer des historischen Princips in Wahrheit nicht eine Restayration
der alten Stände vollzogen, sondern acht völlig neue ständische Körper
geschaffen. Um den Particularismus zu entschädigen, wollte die Commission
den althistorischen Territorien das Recht der itio in partes geben: jeder
Provinziallandtag sollte in Theile gehen, sobald ein Landestheil sich in
*) Eingabe der Lebusischen Kreisstände an den König, 23. Jan.; des Kreises Schievel-
bein an den Kronprinzen, 15. Nov.; der Dramburger Kreisstände an den Kronprinzen,
12. Dec.; der altmärkischen Stände an den König, 6. Jan. 1822.