250 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
darunter leidet, und Hardenberg's politische Haltung war durch seine ge—
meine Umgebung nie bestimmt worden. Das unsaubere Treiben in seinem
Hause ward schließlich zum öffentlichen Aergerniß, seit das Gelichter
schlechter Literaten und Abenteurer, das ihn umdrängte, in böse Händel
gerieth. Dorow, der am Rhein werthvolle Alterthümer ausgegraben hatte
und sich mit diesen Schätzen in Bonn einnisten wollte, wurde von den
Professoren aus guten Gründen übel aufgenommen, und selbst der nach—
giebige Altenstein wagte diesmal den Befehlen Hardenberg's, der sich mit
väterlicher Zärtlichkeit seines Günstlings annahm, zu widerstehen. Zwischen
seiner somnambülen Geliebten Friederike v. Kimsky und ihrem traurigen
Gatten mußte der Kanzler selber Frieden stiften; auch der Leib- und
Wunderzude Koreff machte sich unnütz, indem er das Kultusministerium,
zu Altenstein's Verzweiflung, mit unreifen Vorschlägen für die Reform
der Universitäten bestürmte, und wurde endlich nach einem widerwärtigen
Zank von dem „dicken Schöll", der dieses Gegners würdig war, aus
dem Sattel gehoben. Erstaunlich immerhin, wie der alte Herr inmitten
solchen Unraths doch noch ein vornehmer Mann blieb, kindlich gut und
zutraulich, freilich auch jedem Gauner eine leichte Beute. Zudem wuchs
seine Geldnoth. Während die Commission zur Vereinfachung der Ver-
waltung gewissenhaft über die Entbehrlichkeit jedes kleinen Beamten be-
rathschlagte, während Alles nach Ersparnissen rief und der König selbst
aus den Einkünften des Kronfideicommisses 250,000 Thlr. hergab um das
Deficit für 1822 zu decken?), war Hardenberg der einzige Mann in diesem
sparsamen Staate, der die öffentlichen Gelder verschleuderte. Er wirth-
schaftete noch immer aus dem Vollen, kraft seiner unbeschränkten Befugniß.
Mit wachsendem Unmuth sah der König dieser Verschwendung zu; um
ein Ende zu machen, ließ er dem Kanzler schließlich eine sehr hohe Summe
als festes Jahresgehalt anbieten. Hardenberg war aber schon so tief ver-
schuldet, daß er den Vorschlag zurückweisen mußte.
So ward Friedrich Wilhelm seinem Kanzler immer fremder. Seit
dem Erscheinen jener Schrift B. Constant's beargwöhnte er selbst die Auf-
richtigkeit des alten Herrn; denn Constant war mit einer Nichte Harden-
berg's verheirathet, und wie hätte man am Hofe glauben sollen, daß der
Oheim von dem Buche des Neffen in der That nichts gewußt hatte?
Dagegen wuchs das Vertrauen des Königs auf den sittenstrengen, peinlich
gewissenhaften alten Voß, und im September 1822 erklärte er seine Ab-
sicht, Voß als Vicepräsidenten in das Ministerium zu berufen, damit end-
lich Ordnung in den Staatshaushalt käme. Auch diese Demüthigung ließ
sich Hardenberg noch bieten; er blieb im Amte und nahm es hin, daß der
unversöhnliche Widersacher seiner Verfassungspläne zu seinem Stellvertreter
ernannt wurde. Der Sieg der altständischen Reaktion war vollendet.
*) Hardenberg's Tagebuch, 7. Juli 1821.