Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

270 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
stile, der in diesen Jugendtagen unseres Parlamentarismus von den 
Rednern verlangt wurde: „Mögen die inconstitutionellen Staatsbeamten 
auf Dornen liegen; die constitutionellen ruhen sanft und nirgends sanfter 
als im Schooße der Verfassung.“ Dann wendete er sich verachtungsvoll 
wider die Menschen inn= und außerhalb Baierns, welche vor drei Jahren 
den Janustempel dieses Ständesaales für immer hätten schließen wollen; 
„aber der Janustempel ward wieder eröffnet und aufs Neue begann der 
Krieg, der heilige Krieg gegen Willkür und Selbstsucht, gegen Vorurtheil 
und Versunkenheit.“ Im Ganzen verlief der Landtag friedlich, wenn- 
gleich er wenig Ersprießliches zu Stande brachte. Graf Rechberg aber 
und seine Genossen fühlten sich selbst durch jene vereinzelten lebhaften 
Reden schwer beängstigt, und auf eine geheime Mittheilung aus München 
beschloß Metternich, der den Erzählungen Blittersdorff's nicht recht traute, 
die befreundeten Minister der beiden klagenden Cabinette persönlich zu ver- 
nehmen.) 
Zu Anfang Oktober brach die Wiener Versammlung auf um lang- 
sam auf verschiedenen Wegen nach der Congreßstadt zu reisen. Unterwegs 
verweilten Metternich und Bernstorff drei Tage in Salzburg und hörten 
Rechberg's Klagen an. Der offenbarte hier, wie Bernstorff schrieb, die 
ganze Schwäche seiner Stellung und seines Charakters; er jammerte, 
ohne auswärtige Hilfe müsse das constitutionelle System in Baiern über 
alle Autorität triumphiren. Der Preuße aber meinte: „Gott behüte uns 
die Sache jemals so anzusehen, das hieße das Mißtrauen unserer deutschen 
Bundesgenossen rechtfertigen.“““") Gleich darauf, am 7. Okt., besuchten 
die beiden Kaiser den König von Baiern in Tegernsee. Weit umher aus 
dem Gebirge war das Landvolk herbeigeeilt um alle die erlauchten Gäste 
zu begrüßen, zumal die Tochter des geliebten Max, die Kaiserin Karoline 
Auguste. Droben auf dem Parapluie, wo die Kaiser mit ihrem könig- 
lichen Wirth die Aussicht bewundert hatten, wurden die Namenszüge der 
drei Monarchen in den Stein gehauen, und am Thore der alten Kloster- 
kirche verkündete eine Marmortafel der Nachwelt das denkwürdige Ereigniß, 
daß hier auf einmal 257 Hofpersonen versammelt gewesen. Eingehende 
politische Gespräche ließen sich mit König Max Joseph, wenn er vergnügt 
war, nicht leicht führen, indeß erkannten die Gäste aus dem überaus 
freundlichen Empfange, wie treu dieser Fürst zu der großen Allianz hielt. 
Metternich und Bernstorff reisten währenddem geradeswegs nach Süden 
und trafen in Innsbruck mit Berstett zusammen. Der Badener hielt 
sich weit muthiger als Rechberg. Er zürnte auf Blittersdorff, weil dieser 
die heimischen Zustände gar so schwarz geschildert hatte, und warf dem 
Uebereifrigen nachher vor: „schlechter als bei unseren Nachbarn steht es 
  
*) Metternich an Berstett, 26. Sept. 1822. 
*) Bernstorff an Ancillon, 7., 16. Okt. 1822.
	        
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