Eröffnung des Congresses von Verona. 271
doch bei uns auch nicht.““) Doch versprach er, den Beschlüssen der beiden
Großmächte sich unweigerlich zu fügen und dem Landtage fest entgegen-
zutreten; heimgekehrt erlangte er leicht die Zustimmung seines Fürsten
zu diesem neuen „Innsbrucker Systeme“.“) —
Der Congreß, der am 20. Okt. endlich eröffnet wurde, erinnerte mit
seinen rauschenden Festen wieder an die unvergeßlichen Wiener Zeiten.
Kaiser Franz erschien umgeben von mehreren Erzherzögen, der König von
Preußen mit den jungen Prinzen Wilhelm und Karl, auch Alexander
Humboldt war als unermüdlicher Cicerone in seinem Gefolge. Aus
Italien kam eine dichte Schaar von Kleinfürsten und Prinzen, unter
ihnen Napoleon's fröhliche Wittwe mit ihrem Geliebten Neipperg. Eine
wenig beneidenswerthe Rolle spielte in dieser legitimen Gesellschaft der
geistreiche Kronprinz von Schweden; denn die Entthronung des Hauses
Bernadotte ward an den meisten Höfen lebhaft gewünscht. Bei Kaiser
Franz zumal standen die vertriebenen Wasas hoch in Gnaden; Metternich
meinte schon: „der Charles Jean fängt an reif zu werden“", und Gentz
ärgerte sich täglich über den Anblick „des fatalen Oskar“. Alle Fürsten
wetteiferten in Glanz und Pracht, und der Allerchristlichste König, den die
Gicht in den Tuilerien zurückhielt, ließ sich mindestens durch fünf Gesandte
vertreten. Ein Gewimmel von vornehmen Fremden, Berichterstattern, Bitt-
stellern, Abenteurern wogte täglich über die malerische Piazza d'Erbe, und
wenn ein Wettrennen oder ein Feuerwerk in dem römischen Amphitheater
veranstaltet wurde, dann trieb die k. k. Polizei das Landvolk aus der
Nachbarschast herbei, weil die Bevölkerung des modernen Verona mitsammt
ihren erlauchten Gästen nicht ausreichte, um den riesigen Rundbau zu
füllen. Wohl war es nur menschlich, daß die vornehme Welt nach der
Langeweile von Troppau und Laibach wieder einmal das Leben genießen
wollte; aber neben den Standgerichten, die in Neapel noch ihr blutiges
Handwerk trieben, neben dem Elend, das die Späher Metternich's über so
viele edle lombardische Patrioten gebracht hatten, nahmen sich die Lustbar-
keiten der Höfe häßlich aus, und Byron sprach wieder dem gesammten
liberalen Europa aus der Seele, da er in seiner gewaltigen Satire „das
bronzene Zeitalter“ die Italiener fragte, warum sie doch mit gebundenen
Händen durch ihr Kerkergitter die Feste ihrer Zwingherren begafften. Den
Czaren mahnte der Dichter heimzukehren um die Baschkiren zu waschen
und zu scheren, statt Pläne zu schmieden wider die Freiheit der Spanier, und mit
grausamem Spott schildert er die Dreiherrschaft der Monarchen des Ostens,
Die ird'sche Trinität, Gott nachgeschaffen,
So wie der Mensch sich wiederholt im Affen.
*) Berstett an Großherzog Ludwig, 26. Jan. 1823.
**) Berstett an den Großherzog, Innsbruck 7. Okt.; an Blittersdorff, 14., 27. No-
vember 1822.