Reaktion am Bundestage. 329
der unzufriedenen diplomatie volante, den Süddeutschen ein lebendiger
Beweis preußischer Regierungswillkür.
Schon vorher, im Mai, hatte der Preßausschuß seine Thätigkeit
wieder aufgenommen und alsbald den Stuttgarter Deutschen Beobachter
unterdrückt. Wie fühlte der Referent Blittersdorff sich geehrt, da ihm
beschieden ward, „den Stier bei den Hörnern zu packen“. In seinem Eifer
verleugnete er sogar seine Eitelkeit und verstand sich dazu, eine ungeheure
Denkschrift, die ihm aus der Hofburg zugesandt worden, für sein eigenes
Werk auszugeben. Sie brandmarkte das revolutionäre „Delirium“ des
unheimlichen schwäbischen Blattes und mit besonderem Ingrimm jenen
Lindner'schen Artikel, „die Diplomaten“. „Obwohl es scheinen möchte als
spräche der Ausschuß hier in eigener Sache“, gelangte er doch zu dem
einleuchtenden Schlusse, daß die Sicherheit des Bundes gefährdet sei, wenn
„diese angesehene Klasse von Beamten“ unanständig behandelt würde. Bald
darauf wurde F. Murhard aus Frankfurt ausgewiesen; Nassau und die
beiden Hessen mußten sich verpflichten, ihn in ihren Ländern, so nahe der
Bundesstadt, nicht zu dulden. Lindner wagte sich in einer Sammlung
seiner „Geheimen Papiere“ gegen Blittersdorff sehr zahm zu vertheidigen
und beschleunigte dadurch nur seine Verbannung aus Württemberg.
Während die Bundesversammlung also unter den liberalen Schrift—
stellern aufräumte, bereitete ihr der bairische Kammerredner Hornthal mit
orientalischer Dreistigkeit eine schmerzliche Ueberraschung. Er widmete ihr
ehrfurchtsvoll seine neueste Schrift: „Werden die deutschen Bundesfürsten
am Kriege gegen Spanien theilnehmen?“ — ein Büchlein, das die freien
Spanier mit phrasenreichen Lobsprüchen überschüttete. Um solchem Aergerniß
für immer vorzubeugen, beschloß die Bundesversammlung, daß ihr fortan
Niemand mehr ohne besondere Erlaubniß ein Buch widmen dürfe; auch
Büchergeschenke wolle sie nur dann annehmen, wenn der Verfasser sein
Werk vorher dem Bundesgesandten seines Souveräns überreichte und dieser
seinen Segen dazu gab. Dergestalt war den demagogischen Ideen jeder Zu-
gang zu der Bücherei des Taxis'schen Palastes versperrt, und damit auch die
Akten des Bundestages vor der Einschleppung des Krankheitsstoffes bewahrt
blieben, beschloß die Versammlung am 15. Jan. 1822, daß alle Eingaben
an den Bund, sofern sie gedruckt würden, vorher der Censur unterliegen
sollten. Also selbst das bescheidenste aller staatsbürgerlichen Rechte, das
Recht der Bitte, das den Russen und den Chinesen ungeschmälert blieb,
wurde unserem Volke verkümmert; die verhüllte Fremdherrschaft, die auf
Deutschland lastete, setzte sich ein Denkmal ohne Gleichen. Den Anlaß zu
dem unglaublichen Beschlusse hatte die holsteinische Ritterschaft gegeben mit
ihren Bitten um Herstellung der alten Landesverfassung, die natürlich
schroff abgewiesen wurden.
Nach Alledem war es nur folgerecht, daß der Bundestag seine Ver-
handlungen fortan geheim hielt, wie Metternich schon auf der Wiener