Letzte Zeiten König Max Joseph's. 349
urtheilen des Volkes zu brechen, das noch fest am alten Herkommen hing
und die ungewohnten Erscheinungen des modernen Großverkehrs, zumal
die verhaßten Musterreiter aus Frankfurt und anderen „ausländischen“
Nachbarstädten, mit tiefem Mißtrauen betrachtete. In guter Absicht wählte
man also einen Mittelweg und entschied sich für das Concessionssystem:
die Erlaubniß zum Heirathen, zur Niederlassung, zum Gewerbebetrieb
sollte der Regel nach von den Behörden abhängen, die dabei den „Nahrungs-
stand“ des Ortes zu berücksichtigen hatten. Der Vorschlag mißfiel in
Wahrheit allen Parteien; den Conservativen ging er zu weit, die Libe-
ralen verlangten mehr, und Rudhart sagte kühn voraus, die Zeit der
vollständigen Gewerbefreiheit werde noch kommen. Der Landtag stimmte
schließlich nur zu, weil sich kein anderer Ausweg zu bieten schien. Doch
sofort begann im Volke eine hartconservative Bewegung wider die Störung
der alten Gewohnheiten — eine naturwüchsige Reaktion, welcher die neuen
Gesetze nach wenigen Jahren erliegen sollten. Bei den Budgetverhandlungen
kam in den geheimen Sitzungen viel verhaltener Groll zu Tage; der
Rechnungsabschluß war sehr ungünstig, da das Sinken der Getreidepreise
den Ertrag der Domänen verringert, große Brände und andere Unglücks-
fälle ganze Landestheile heimgesucht hatten. Zudem spielte wieder eines
jener unliebsamen kleinen Geheimnisse mit, die sich unter König Max
Joseph kaum vermeiden ließen: bei der Hochzeit der Prinzessin Sophie
hatte der vergnügte Vater das Gold so mit vollen Händen ausgestreut,
daß es nachher schwer hielt diese Ausgaben in verschiedenen Titeln des
Etats zu verstecken.)
Endlich ward das Budget bewilligt und der Landtag in Gnaden ent-
lassen. Aber die vielen scharfen Worte, die in den letzten Verhandlungen
gefallen waren, hatten den Hof tief verletzt. Die reaktionäre Partei er-
hob wieder keck das Haupt; bereits war es ihr gelungen, den ehrwürdigen
Cajetan Weiller, einen der freiesten Köpfe des Clerus, aus seiner einfluß-
reichen Stellung am Münchener Lyceum in das Stillleben der Akademie
zu versetzen. Auch Aretin's Bajuvaren begannen wieder das literarische
Kothspritzen gegen die eingedrungenen Nordländer. Und dazu die ge-
heimen Zuschriften aus der Hofburg. Selbst die neue Geschäftsordnung
des Landtags, die wirklich nichts zu wünschen übrig ließ, genügte dort
noch nicht. Hatzfeldt, wie immer Metternich's getreues Echo, tobte und
wetterte wider die Feigheit dieses Münchener Hofes, der sich so gar nicht
entschließen konnte, einfach die alten bairischen Landstände wiederher-
zustellen. Bei der Adreßberathung der Reichsräthe hatte Kronprinz Ludwig
den verständigen Rath gegeben, man möge eine Stelle über „das mon-
archische Princip“ streichen, weil sie in der anderen Kammer ärgerliche
Bemerkungen veranlassen werde. Welch ein Zorn in Wien, als man von
*) Küster's Bericht, 17. Dec. 1824.