Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

352 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
sächlich in dem Mißbrauch, welcher mit seiner Bedeutung getrieben wird.“ 
Gegen dies arge Wort begann bereits im Lande eine geheime Wühlerei. 
Aufgestachelt von ihrem Dekan richteten die Ortschaften Wolfenweiler und 
Schallstadt an den Großherzog die Bitte, er möge „die volle Souveränität 
ohne Landstände wieder übernehmen und solch eine Regierungsform wie 
sie ehemals war, herstellen“. Hoch beglückt sendete der k. k. Gesandte 
diese Kundgebung des Volkswillens nach Wien, und Hatzfeldt schrieb zu- 
frieden: „das Volk ist überall gut und überall dasselbe; sein Urtheil ist 
immer verständig wenn man den Verschwörern nicht erlaubt es durch ihre 
gefährlichen Grundsätze zu beeinflussen.““) Die Versuchung für den Groß- 
herzog war stark; er konnte den Lärm seiner getreuen Stände kaum noch 
ertragen und verhehlte keineswegs, wie glücklich er sich schätzen würde, 
wenn ihn der Bundestag oder irgend eine andere höhere Gewalt von 
dieser leidigen Verfassung befreite.“) Auch Berstett und andere hohe Be- 
amte begannen den Gedanken einer gewaltsamen Verfassungsänderung ernst- 
lich zu erwägen und befragten darüber den gelehrten Carl Salomo Zachariä 
in Heidelberg, der sich schon im letzten Landtage durch seine unterthänige 
Beflissenheit hervorgethan hatte. Der zählte noch zu jener alten Juristen- 
schule, die ein Rechtsgutachten nur für ein einträgliches Spiel des Scharf- 
sinns ansah, und war auch jetzt sogleich bei der Hand mit einer Denk- 
schrift, welche nicht nur die Zweckmäßigkeit, sondern sogar die Rechtmäßigkeit 
des geplanten Staatsstreichs nachwies; in der Kunst alles zu beweisen, 
die man ihm nachrühmte, hatte er sich diesmal selbst übertroffen. 
Aber zu einem offenbaren Eidbruch wollte Großherzog Ludwig sich nicht 
entschließen; zudem war ihm wohl bekannt, wie man in Berlin über Staats- 
streiche dachte, und — „ich weiß, was ich unserem König schuldig bin“, 
pflegte der alte preußische Gardeoffizier zu sagen. Da auch vom Bundes- 
tage keine unmittelbare Hilfe zu erlangen war, so entschloß sich der Hof 
endlich, nur die Mittel, welche die Verfassung selber darbot, handfest zu 
gebrauchen. Im December 1824 wurde der alte Landtag aufgelöst, und 
sofort begann ein Wahlkampf streng nach dem Muster des nahen Frank- 
reichs, nur daß die freien Deutschen gegen den Mißbrauch der Amts- 
gewalt unvergleichlich empfindlicher waren als die bureaukratisch gewöhnten 
Franzosen. Berstett und mehrere seiner Räthe reisten landauf landab, 
bis zum Straßenwart herunter ward das ganze Beamtenheer aufgeboten; 
in Freiburg, wo Rotteck verdrängt werden sollte, trat man die Vorschriften 
des Wahlgesetzes geradezu mit Füßen. Durch solche Mittel gelang es die 
gesammte Opposition mit einem Schlage hinauszufegen. In der neuen 
Kammer erschienen nur drei Liberale, wackere, gemäßigte Männer, deren 
Namen das mißhandelte badische Land noch lange in gutem Andenken 
— – — — — 
*) Unterthänigste Bitte der Gemeinden Wolfenweiler und Schallstadt, 9. Februar; 
Hruby's Bericht an Metternich, 26. März; Hatzfeldt's Bericht, 5. April 1825. 
**) Küster's Bericht, 1. Jan. 1824.
	        
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