Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Verfassungsänderung in Baden. 353 
behielt: Föhrenbach, Grimm und der Freiburger Professor Duttlinger, 
ein gewiegter Kenner des Verfassungsrechts. 
Gleichzeitig hatte der vielgewandte Günstling des Großherzogs, 
Major Hennenhofer an den Drähten gezogen, die er über alle Ecken des 
Ländchens ausgespannt hielt. Die Lorbeeren von Wolfenweiler und Schall- 
stadt ließen ihn nicht schlafen. Mit einem male kamen aus zahlreichen 
Ortschaften Adressen an den Großherzog, allesammt mit der Bitte um 
Aufhebung der Verfassung. Mit erwartungsvoller Freude blickten Met- 
ternich's Getreue nach Karlsruhe, wo sie an dem k. k. Gesandten Hruby 
einen verschlagenen einflußreichen Helfer besaßen. Hatzfeldt vermaß sich 
schon: „ich werde nicht eher an die Ruhe und das Glück Deutschlands 
glauben, als bis die letzte dieser Verfassungen und Alles was ihnen 
ähnelt von seinem Boden verschwunden ist.““) Unmöglich schien es nicht, 
bei der gefügigen neuen Kammer eine radicale Veränderung des Grund- 
gesetzes zu erzwingen. Aber zu so kühnen Entschließungen war Berstett 
nicht der Mann, wenn er sich nicht auf den Bund stützen konnte, und im 
Ministerrathe saßen außer seinem Gesinnungsgenossen Berckheim auch die 
beiden verfassungstreuen Staatsräthe Böckh und Ludwig Winter. Auf 
Winter's Antrag wurden die unterthänigen Adressenschreiber abgewiesen, 
und statt einer umfassenden Verfassungsrevision begnügte man sich mit 
dem Vorschlage, daß fortan das Budget auf drei Jahre bewilligt und 
die Kammer aller sechs Jahre vollständig neugewählt werden solle. 
Wider den Inhalt des Vorschlags ließ sich wenig einwenden: das 
dreijährige Budget konnte dem Lande manchen unnützen Wortkampf er- 
sparen, und die neue Wahlordnung war unverkennbar zweckmäßiger als 
die bisher übliche Viertels-Erneuerung der Kammer. Gleichwohl erregte 
die Vorlage tiefen und berechtigten Unmuth unter den treuen Anhängern 
der Verfassung; auch Winter selbst hatte ihr nur um Aergeres zu ver- 
hindern, widerwillig zugestimmt. Dies kaum erst geschaffene Grundgesetz 
schon wieder abändern, die Vorschriften über das Budget zurücknehmen 
noch bevor jemals ein ordnungsmäßiges Budget zu Stande gekommen war 
— das hieß mit der Verfassung spielen. Doch was galten Gründe in 
diesem unterthänigen Hause? Der junge Heidelberger Professor Roßhirt, 
eine Leuchte der werdenden ultramontanen Partei, erstattete einen empfehlen- 
den Bericht, und die Abgeordneten stimmten zu — bis auf jene tapferen 
Drei. Auch die erste Kammer trat bei, obgleich Wessenberg sie an „die 
jungfräuliche Unverletzlichkeit“" des Staatsgrundgesetzes erinnerte. Mit 
diesem kleinmüthigen Beschlusse war die Lebenskraft des Karlsruher Land- 
tags auf lange hinaus gelähmt. Matt und kleinlaut schleppten sich die 
Verhandlungen zu Ende; auch der kurze Landtag von 1828 verlief so 
  
*) Hatzfeldt's Bericht, 24. Jan. 1825. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 23
	        
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