358 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
fordert nicht die See auf, sie rennt gegen ihn.“ Dieser hohle Dünkel,
der in den Kämpfen des Völkerlebens immer nur die kleinen Menschen,
niemals die treibenden Kräfte sah, stand der elementarischen Macht der
griechischen Revolution bald rathlos gegenüber, um so rathloser, da Met-
ternich zwar den Czaren mißbrauchen und über Rußlands natürliche Inter-
essen täuschen, aber um keinen Preis mit ihm brechen wollte; denn ein
europäischer Krieg, das blieb in der Hofburg Glaubenssatz, mußte die
allgemeine Revolution entfesseln. »
Einige diplomatische Eintagserfolge vermochte Metternich's Gewandt—
heit noch zu erringen. Tatistscheff, der russische Gesandte in Wien, wurde
gänzlich in die Irre geführt und gelangte erst nach Jahren zu der beschei—
denen Erkenntniß, daß Oesterreichs und Rußlands Ansichten doch nicht
vollständig übereinstimmten. Im Oktober 1823, auf einer Zusammen—
kunft der beiden Kaiser in Czernowitz, sprach der Czar seinen Widerwillen
gegen die griechischen Rebellen nochmals lebhaft aus; doch zugleich nöthigte
er das österreichische Cabinet, über die Zukunft der Hellenen mindestens
ernstlich zu berathschlagen, und am 9. Januar 1824 stellte er die Forde—
rung auf, daß die griechischen Landschaften fortan drei halbsouveräne
Fürstenthümer unter türkischer Oberhoheit bilden sollten. Ueber dies
russische Programm beriethen die Mächte viele Monate hindurch auf einer
Conferenz in Petersburg. Metternich vollzog dabei wieder einen glück—
lichen Schachzug; er ließ durch Lebzeltern erklären, daß der Wiener Hof,
wenn die Unterwerfung der Griechen unmöglich sei, am liebsten ihre voll—
ständige Unabhängigkeit anerkennen würde, und zwang dadurch die russi—
schen Diplomaten zu der Antwort, Rußland könne diese Unabhängigkeit
nicht zugeben. Dies Geständniß Nesselrode's war allerdings von hohem
Werthe; die Welt wußte nunmehr, daß der Petersburger Hof die Erobe—
rungspläne Katharina's noch nicht aufgegeben hatte, und die Griechen
wendeten sich alsbald von Rußland ab, um fortan in England Hilfe zu
suchen. Mit alledem wurde eine Entscheidung noch nicht erreicht. Die
Petersburger Conferenz blieb ohne jedes Ergebniß. Denn die Pforte
konnte auf Oesterreichs Freundschaft zählen und wußte wohl, daß keine
der anderen Mächte ihre Wünsche mit dem Schwerte unterstützen wollte;
sie war entschlossen die Empörung niederzuwerfen und sendete darum auf
alle Ermahnungen der gründlich verachteten dummen Franken nur das
bekannte „mit Honig beschriebene Papier“, die leeren Redensarten, in
denen die schlauen Effendis des Divans von jeher Meister waren, oder
sie hüllte sich gar in verächtliches Stillschweigen.
Indessen raste der Kampf weiter. Zweimal brach im Lager der Rebellen
selber der Bürgerkrieg aus; einer ihrer Führer, Odysseus ward zum Ver—
räther. Alles schien verloren, als im Jahre 1824 Sultan Machmud seinen
gefährlichen Vasallen Mehemed Ali zur Hilfe aufbot und nun die ägyp—
tischen Regimenter Ibrahim Paschas alle Schrecken abendländischer Kriegs—