Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Agrargesetze in den neuen Provinzen. 381 
diesen Zeitpächtern in der Regel freies Eigenthum. Diese Wohlthat des 
deutschen Regiments ward auch politisch folgenreich; ihr vornehmlich ver- 
dankte der Staat, daß die polnischen Bauern sich nur sehr selten auf 
die landesverrätherischen Umtriebe des Adels und der Kapläne einließen. 
Bei der Vorbereitung der Agrargesetze im Staatsrathe war Savigny 
besonders thätig. Die Apostel des liberalen Vernunftrechts verlästerten 
den großen Juristen als einen Reaktionär; im Staatsrathe ward er von 
vielen seiner Genossen, sogar von Gneisenau, der revolutionären Gesin- 
nung bezichtigt, weil er, obwohl nach seiner ganzen Weltanschauung ein 
Gegner Hardenberg's, doch die Nothwendigkeit dieser socialen Umwälzung 
unbefangen anerkannte und durch die That bewies, daß die historische 
Staatsanschauung das Verständniß für die Bedürfnisse der lebendigen 
Gegenwart nicht ausschloß. Die Ehrfurcht vor dem Berufe des König- 
thums, des Beschützers der Schwachen, half ihm über manche Rechts- 
bedenken hinweg; seine Beredsamkeit und die technische Meisterschaft seiner 
Entwürfe zwangen selbst die Gegner zur Bewunderung. Aber auch diese 
Reform wurde durch die Provinzialstände vielfach erschwert. Auf mehreren 
Landtagen veranlaßte die Ablösungsfrage hitzige Streitigkeiten zwischen dem 
ersten und dem dritten Stande, welche nur zu deutlich zeigten, daß die Ritter- 
schaft keineswegs, wie sie gern behauptete, auch die Interessen des Bauern- 
standes mit vertrat. Die treu an der väterlichen Scholle haftenden west- 
phälischen Bauern wollten die Grundlasten nicht durch Landabtretung 
ablösen, während anderwärts die Grundherren eine Geldabfindung ver- 
langten, weil der Preis des Bodens und seiner Erzeugnisse jetzt so gar 
niedrig stand. 
Die Krone bemühte sich beiden Parteien gerecht zu werden, sie ge- 
stattete den Westphalen, auf Stein's Vorschlag, die Abfindung in Land 
oder Geld, je nach der Uebereinkunft der Betheiligten; doch nicht immer 
fand sie den Muth, den Standesinteressen der Grundherren zu wider- 
stehen. Der reaktionäre Zug, der diese Zeit beherrschte, verleugnete sich 
auch in ihren Agrargesetzen nicht ganz. Am bedenklichsten war, daß die 
Ablösung sich fortan auf die größeren Höfe, die „Ackernahrungen“ be- 
schränken sollte. Auf die Bitte des Breslauer Landtags wurden die Gärtner- 
stellen der sogenannten Dienstfamilien Oberschlesiens von der Regulirung 
ausgeschlossen — bis die Grundherren mit der Zeit selber bemerkten, daß 
die Dienste dieser kleinen Leute dem kunstvolleren Betriebe wenig mehr 
nützten, und den Verpflichteten oft freiwillig die Ablösung anboten. Durch 
solche Mißhelligkeiten wurden die Bauern störrisch; überall glaubten sie 
Anschläge wider ihre neu errungene Freiheit zu wittern, und ihr Miß- 
trauen legte sich auch nicht, als die Krone einen offenbar bauernfreund- 
lichen Reformvorschlag an die Stände brachte. In diesen Jahren der 
allgemeinen Bodenentwerthung traten die Gefahren der völlig unbeschränkten 
Theilbarkeit der Landgüter drohend hervor; in manchen Landestheilen be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.