32 III. 1. Die Wiener Conferenzen.
preußische Zollgesetz an den Bettelstab gebracht habe — ein Versprechen,
das der geizige Kurfürst selbstverständlich niemals einlöste. In Berlin
dachte man anfangs an Retorsionen. Der König aber hielt sich streng
an die Zusage, daß die preußischen Zölle vornehmlich die außerdeutschen
Waaren treffen sollten, und wollte feindselige Schritte gegen deutsche Staaten
wenn irgend möglich vermeiden. Auch ein Gutachten des Finanzministe-
riums gelangte zu dem Schlusse, die hessischen Retorsionen seien für Hessen
überaus schädlich, für Preußen ungefährlich, also „nur der Form wegen
zu bekämpfen“. Der Gesandte in Cassel sprach sich in diesem Sinne
vertraulich gegen den Kurfürsten aus. Unterdessen ließ Preußen die Köln—
Berliner Kunststraße über Höxter und Paderborn, mit Umgehung des
hessischen Gebiets, ausbauen. Der Verkehr des Nordostens mit dem Süden
zog sich von Hanau hinweg nach Würzburg, die hessischen Straßen begannen
zu veröden. Der Kurfürst mußte seine Kampfzölle wieder herabsetzen und
harrte nun um so ungeduldiger auf einen Bundesbeschluß, der die Zoll-
linien des unangreifbaren Nachbarn zerstören sollte.
Unter den Widersachern Preußens verstand doch keiner eine so ur-
wüchsig grobe Sprache zu führen, wie der Herzog Ferdinand von Köthen,
ein eitler, nichtiger Mensch, der im Jahre 1806 wegen erwiesener Unfähig-
keit den preußischen Kriegsdienst hatte verlassen müssen und jetzt persönlich
an die Donau eilte, um „die Mediatisirung des uralten Hauses Anhalt“
abzuwenden. Die wirkliche Herrin seines Ländchens war seine Gemahlin
Julia, eine geborene Gräfin Brandenburg, Halbschwester des Königs von
Preußen, eine Dame von Geist und Bildung, unermeßlich stolz auf ihre
fürstliche Würde, den katholisirenden Lehren der romantischen Schule
eifrig zugethan. Da Metternich den Werth einer solchen Bundesgenossin
wohl zu würdigen wußte, so hatte er Adam Müller beauftragt, neben
dem Leipziger Consulate auch das Amt des österreichischen Geschäfts-
trägers an den anhaltischen Höfen zu bekleiden, und der gefeierte Publicift
der ultramontanen Partei wurde der romantischen Herzogin bald ein
unentbehrlicher Rathgeber. Müller haßte seine preußische Heimath mit dem
ganzen Ingrimm des Convertiten. Seinem erfinderischen Kopfe entsprang
der Plan zu einem großen Gaunerstücke kleinfürstlicher Staatskunst, das die
preußische Zollgesetzgebung von innen heraus durchlöchern und mindestens
für die Provinz Sachsen unmöglich machen sollte. Das Köthensche Land
wurde einige Stunden weit von der Elbe durchflossen, und die Elbe
zählte zu den conventionellen Flüssen, denen der Wiener Congreß die
„vollkommene Freiheit der Schifffahrt“ zugesagt hatte. Welch eine glän-
zende Aussicht eröffnete sich also für die Machtstellung Köthens, wenn
die Conferenz sich bewegen ließ, die Freiheit der Elbe sofort und unbedingt
von Bundeswegen einzuführen! Dann konnte der Herzog, obgleich sein
Land von preußischem Gebiete umschlossen war, eine selbständige europäische
Handespolitik beginnen, er konnte die Freiheit der Elbschifffahrt miß-