408 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
schen Kämpfen her ein abgesagter Feind der „leidenschaftlichen Frömmler“,
wie er die harten Ultramontanen nannte, und folgte in wissenschaftlichen
Fragen unbedingt dem Rathe seines „hochwerthen“ alten Freundes Hermes,
der zum Domcapitular ernannt in Bonn und Köln zugleich den Ton
angab. Erst nach Jahren willigte er darein, daß ein strenger Clericaler,
Klee in die theologische Facultät berufen wurde. Die Leitung des Convikts
erhielt der Hermesianer Achterfeldt; auch der Kirchenrechtslehrer Droste—
Hülshoff, die Repetenten Braun und Vogelsang standen wie die sämmt—
lichen älteren Theologen dieser Schule nahe. Es waren durchweg acht—
bare Gelehrte, dem Staate gehorsam und der Kirche treu ergeben; über
die Priesterehe urtheilte Droste-Hülshoff in seinem Kirchenrechte fast ebenso
scharf wie sein Gegner Walter, und Braun richtete sogar eine heftige
Streitschrift wider eine Partei unter den schlesischen Geistlichen, welche
den Segen des Cölibats zu bezweifeln wagte. Den strengen Ultramon—
tanen aber mußte eine Schule, die sich auf Kant berief, als eine ver—
dächtige rationalistische Partei erscheinen, und nur so lange die klugen
Augen des greisen Erzbischofs offen blieben, war der äußere Frieden in
der rheinischen Kirche leidlich gesichert.
Als treuer Gehilfe ging dem Oberhirten der neue Bischof von Trier,
Hommer zur Hand, ein Priester von altem kurtrierschem Schrot und Korn,
gelehrt und wohlthätig, offenherzig, becherlustig und lebensfroh. Er hatte
in seinen jungen Jahren der Emser Versammlung der deutschen Erzbischöfe
beigewohnt und dann als Syndicus der kurtrierischen Landstände die poli-
tischen Geschäfte kennen gelernt; als guter Patriot begrüßte er die preußische
Herrschaft mit Freuden und huldigte seinem „besten Monarchen“ mit dem
ehrlichen Vorsatze, den Frieden der Confessionen nie zu stören. Als Stein,
der Erbe der Freiherren v. Landscron, die Landscroner Pfarre mit einer
Stiftung bedachte, da befahl der Bischof unbedenklich, daß an jedem
Geburtstage des protestantischen Stifters Messe und Predigt gehalten
werden solle. Wie that es den beiden befreundeten Prälaten wohl, als
der gleichgesinnte Nuntius Capaccini die Rheinlande bereiste und über
den blühenden Zustand der geistlichen Bildungsanstalten seine freudige
Verwunderung aussprach.“)
Mittlerweile hatte Cardinal della Genga, das Haupt der kirchlichen
Eiferer, der leidenschaftliche Feind des klugen Consalvi, als Leo XlI. den
heiligen Stuhl bestiegen. Es war ein Zeichen der Zeit, daß eine Schrift des
Abbate Fea „die Lehnsherrschaft des Papstes über die weltlichen Fürsten“,
die den Censoren des milden Pius VII. bedenklich gewesen, jetzt unge-
Hindert erscheinen durfte. Der neue Papst kannte die schwierigen deutschen
Verhältnisse noch aus den Zeiten seiner Münchener Nuntiatur und hütete
sich vor unbedachtsamen Eingriffen; aber die wachsende Dreistigkeit der
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*) Hommer an Bunsen, 2. Okt.; Spiegel an Bunsen, 24. Okt. 1828.