Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

442 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
In den Künsten der Verschwörung hatten sich die offenherzigen Germanen 
niemals mit den Welschen messen können. Nun gar dies unbedachtsame 
junge Volk gab sich überall Blößen; die tiefgeheimen allgemeinen deutschen 
Burschentage, welche in diesen Jahren in Dresden, auf dem Kyffhäuser 
und an anderen Orten gehalten wurden, kamen sämmtlich früher oder 
später zur Kenntniß der Polizei. 
Nur wenig schlauer war ein Geheimbund, der von dem alten Un- 
heilstifter Karl Follen ausging. Follen hatte mittlerweile in Paris mit 
Lafayette und den Verschworenen der Union Verbindungen angeknüpft 
und alsdann in der Schweiz ein Unterkommen gefunden. Dort in Chur 
trat er mit einigen der eifrigsten Schwarzen, W. Snell, Völker, Ditt- 
mar und einem italienischen Carbonaro de Prati zusammen, um einen 
deutschen Männerbund zu stiften. Zweck der Verschwörung war Umsturz 
des Bestehenden und Begründung der Einheit Deutschlands unter einer 
gewählten Volksvertretung. Der Verfassung des Bundes dienten die 
Grundsätze der italienischen Geheimbünde zum Muster: kleine Venten, 
die von einander nichts wissen durften; unverbrüchliches Geheimniß ohne 
jeden schriftlichen Verkehr; unbedingter Gehorsam den Oberen, wenn sie 
den Tag der That bestimmten; Tod dem Verräther. Zum Unglück kam 
zur selben Zeit ein Mecklenburger, von Sprewitz, nach Chur, ein wackerer, 
etwas überspannter junger Mann, der fast noch als Knabe gegen die 
Franzosen gefochten hatte und späterhin in der Erziehungsanstalt des 
Doktors Gustav Bunsen zu Frankfurt, einem beliebten Asyle der Unzu- 
friedenen, als Lehrer wirkte. Der ließ sich bereden, im Sommer 1821 
die deutschen Hochschulen zu bereisen und in den zehn Kreisen des alten 
Reichs einen Jünglingsbund nach den Weisungen der Schweizer Ver- 
schworenen zu errichten; nur im österreichischen Kreise, der ja auch an 
den Institutionen des heiligen Reichs keinen Antheil genommen hatte, 
sollte die revolutionäre Kreisverfassung vorläufig nicht zur Ausführung 
kommen. 
Auf zehn Universitäten wurde nun geworben, und etwa hundertund- 
fünfzig junge Männer schlossen sich dem nebelhaften Unternehmen an. Viele 
gute Köpfe waren darunter: aus Schwaben Kolb und Mebold, in späteren 
Tagen allbekannt als Herausgeber der Allgemeinen Zeitung; aus Baden 
Baader, der sich nachher um die Geschichte seiner Heimath Verdienste 
erwarb; aus Thüringen und Mecklenburg zwei tüchtige Juristen Asverus 
und Kippe; aus Baiern einer der talentvollen Söhne Anselm Feuerbach's 
und der Mediciner Eisenmann, ein grundehrlicher wunderlicher Heiliger, 
zugleich politischer Enthusiast und mirakelgläubiger Katholik; aus Sachsen 
der Begabteste von Allen, der Theolog Karl Hase. Wohl Keiner mochte 
mit den unklaren Drohungen der neun Bundesartikel einen bestimmten 
Vorsatz verbinden; Hase und Kippe traten sogar nur unter Vorbehalt 
bei, weil ihre ehrliche Natur sich gegen die undeutsche Zumuthung blinden
	        
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