446 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
glaublich, mit welchen Kindereien diese Helden der Polizei, die doch das
akademische Leben aus eigener Erfahrung kennen mußten, sich die Zeit
verdarben. Schuckmann schämte sich nicht, der badischen Regierung mit
einem Ministerialschreiben eigens den Brief eines jungen Bonner Hoch-
verräthers zu senden, worin erzählt war, daß Freund X. verwundet in
der Hirschgasse liege, Freund O. einen schändlichen Schmiß über die Nase
bekommen habe. Unablässig ward erwogen, welche neue Fesseln man der
Jugend wohl noch aulegen könne. Arens, der Tyrann der Gießener Uni-
versität, verstieg sich zu dem Vorschlage, daß jedem Studenten ein poli-
tisches Leumundszeugniß vom Regierungsbevollmächtigten ausgestellt werden
solle — worauf der Heidelberger Curator Fröhlich bitter erwiderte: „Die
Zeit, wo man den Verdacht des Verdachts mit dem Kopfe bezahlen mußte,
liegt noch nicht so weit hinter uns.“)
Eine eigenthümliche Sonderstellung behauptete die Polonia unter den
verfolgten Verbindungen. Die jungen Polen waren in Berlin und Breslau
als treue Freunde und ritterliche Schläger wohl angesehen und standen
mit den Burschenschaften auf gutem Fuße; denn wer der bestehenden Re-
gierung widerstrebte, galt für liberal, und der unschuldigen deutschen Jugend
war die Schärfe der nationalen Gegensätze noch nicht zum Bewußtsein ge-
kommen. Nach aller Wahrscheinlichkeit hatte sich die Polonia weit tiefer
als irgend eine deutsche Studentenverbindung in politische Umtriebe ein-
gelassen, da das altpolnische Gebiet überall von Geheimbünden unterwühlt
war; aber die sarmatische Schlauheit zeigte sich den Künsten der deutschen
Polizei vollauf gewachsen, die Nachforschungen brachten kein nennenswerthes
Ergebniß. Um das Jahr 1824 erreichte der Spüreifer der Behörden seinen
Höhepunkt, dann erlahmte er allmählich, und im Sommer 1829 beantragte
Schuckmann selbst, die Untersuchung gegen die Verzweigungen des Jünglings-
bundes einzustellen, weil man immer noch nicht wisse, ob der geheimniß-
volle Männerbund je ins Leben getreten sei. ) —
Wer hätte damals geahnt, daß diese erste politische Verfolgung der
neuen deutschen Geschichte einem fernen Absenker unseres Volkes nachhaltige
Stärkung bringen würde? Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts waren
nach und nach zahlreiche Deutsche nach Nordamerika ausgewandert, zu-
meist Pfälzer und Schwaben, denen die plündernden Franzosen oder kirch-
licher Druck und wirthschaftliche Noth das alte Vaterland verleideten.
In den Hungerjahren 1816 und 17 wurden wieder an zwanzigtausend
Deutsche an den fremden Strand verschlagen. Seitdem versiegte der
Strom der Auswanderung nicht mehr, wenn er auch in ruhigen Zeiten
dünner floß; für die elf Jahre 1820—30 berechnete man in Amerika die
Zahl der deutschen Einwanderer insgesammt auf etwa 15,000. Es waren
*) Schuckmann an Berstett, 8. Okt. 1822; Arens an Otterstedt, 2. Okt. 1824.
*7) Schuckmann und Danckelmann, Bericht an den König, 12. Juni 1829.