Die Deutsch-Amerikaner. 447
noch immer überwiegend Süddeutsche, die sich in ihren dichtbevölkerten
Heimathslanden unter dem Zwange einer kleinlichen Wirthschaftspolitik
nicht mehr fortzuhelfen wußten. Als Prinz Bernhard von Weimar im
Jahre 1825 die Union bereiste, fand er in Neuyork, Philadelphia, Balti—
more blühende deutsche Vereine und fast in allen größeren Städten einzelne
angesehene deutsche Bürger; unter den Millionären der jungen Republik
behauptete der Pfälzer Astor schon längst eine glänzende Stellung. Aber
die große Mehrzahl der Deutschen bestand aus ungebildeten kleinen Leuten,
sie galten wenig in Staat und Gesellschaft. Der Name der Dutchmen
hatte sogar einen üblen Klang, die Amerikaner dachten dabei nur an die
verkauften Hessen und Ansbacher, die unglücklichen Söldner Englands, und
vergaßen geflissentlich, wie tapfer ihre deutschen Mitbürger einst für das
Sternenbanner gefochten, wie herrlich die Generale Steuben und Kalb im
Heere Washington's den alten deutschen Waffenruhm bewährt hatten.
Dies Urtheil begann sich zu ändern, Bildungsstand und Ansehen
der Deutschen hoben sich allmählich, seit eine ganze Schaar geistig und
politisch regsamer Männer durch die Demagogenverfolgung in die neue
Welt getrieben wurde: Lieber und Karl Follen, Fehrentheil und Salomon,
Albert Lange und die Wesselhöft's, Karl Beck aus Heidelberg, Bardili aus
Schwaben und viele Andere. Wunderbar, wie rasch die wildesten deutschen
Radicalen sich hier in gute republikanische Bürger verwandelten. Die
Einen bändigte die harte Noth, die Anderen fanden hier ihr Staatsideal
verwirklicht und brachten der neuen Heimath ein Uebermaß von Pietät
und gutwilliger Nachsicht entgegen, eine Fülle freundlicher Gefühle, die
ihnen auch in Deutschland ein glückliches Leben gesichert haben würde,
wenn sie ihr altes Vaterland mit der gleichen Milde beurtheilt hätten.
Es war aber nur menschlich, daß diese verlorenen Söhne des deutschen
Volks kein Ohr hatten für die Warnung, welche Niebuhr seinem Schütz—
linge Lieber auf den Weg gab: er möge sich durch die Leichtigkeit des
wirthschaftlichen Erwerbs in dem jungen Lande nicht über das Wesen der
Demokratie täuschen lassen. Befangen in den Anschauungen des alten
caturrechts, erbittert über die Mißgriffe der deutschen Polizei, wollten sie
daheim nur die Grausamkeit gekrönter Zwingherren sehen und begrüßten
dies unfertige Gemeinwesen, das der Willkür des Einzelnen so gar keinen
Zwang auflegte, kurzweg als das Land der Freiheit.
Am grellsten zeigte sich dieser Wechsel der Stimmungen in Karl
Follen. Der hatte, nachdem er zum zweiten male durch seine Verschwörungs-
künste schweres Unglück über die verführte deutsche Jugend gebracht, auch
die Schweiz verlassen müssen, da die deutschen Großmächte aus triftigen
Gründen seine Auslieferung forderten. Kaum in Amerika angelangt,
redete er, ein geborener Republikaner, sofort eine andere Sprache. „In
diesem Lande,“ rief er entzückt, „wo das Gesetz allein herrscht, giebt es keinen
ruhigeren Unterthan als mich. In dieser Vernunftwelt findet der Mensch,