Die Censur. 451
sie in Preußen zulasse, einer erneuten Prüfung zu unterwerfen, denn auf
die machtlose sächsische Censur sei kein Verlaß.“) Umsonst suchte Harden—
berg den Zorn des Königs zu besänftigen; Schuckmann wußte immer wieder
die Absichten des Kanzlers zu durchkrenzen. Da Brockhaus in seinen Be—
schwerdeschriften lebhaft und ausfällig wurde, vergaß sich der Minister so
weit ihm anzudrohen: man werde, falls er nicht Ruhe halte, alle seine
Verlagswerke in Preußen verbieten und sie den Nachdruckern preisgeben!
Nach fast drei Jahren wurde die angeordnete Recensur endlich zurück—
genommen.
Und dazu fort und fort in der Staatszeitung geheimnißvolle An—
deutungen über entdeckte Verschwörungen; jedes Geständniß der Genossen
des Jünglingsbundes wurde von Kamptz sogleich zu unbestimmten journa—
listischen Verdächtigungen verwerthet. Der vielgeplagte Herausgeber Stäge—
mann, der dem Unwesen nicht wehren durfte, war in Verzweiflung; er
hatte einst, als er dies dornige Amt übernahm, vor seinen Freunden
grimmig gescherzt: „wer den Teufel zu verschlucken sich erst entschlossen
hat, darf ihn nicht lang begucken“““) und dankte dem Himmel, als er
endlich davon entbunden wurde. Zu Alledem noch bei Hofe beständige
kleine Ohrenbläsereien, die meist ohne Erfolg blieben, aber vollauf genügten,
um dies ohnehin verbitterte Geschlecht in ewiger Besorgniß zu erhalten.
Wie gern hätte Wittgenstein den verhaßten Schleiermacher beseitigt. Ge-
schäftig holte er die ängstlichen Worte wieder hervor, welche der Staats-
kanzler vor Jahren über die politischen Vorlesungen des Theologen geäußert
hatte; zuletzt wagte er doch nicht zuzugreifen.““) Schleiermacher's Freund
Gaß wurde amtlich aufgefordert nach Königsberg überzusiedeln, weil er sich
in Breslau durch seine Theilnahme am Turnstreite unmöglich gemacht habe;
als er das Anerbieten kurzerhand ausschlug, ließ man ihn in Ruhe.k)
Ueber Luden's Vorlesungen fertigte der Berliner Universitätsbevollmäch-
tigte Schulz — nach dem Hefte eines offenbar ganz unfähigen Studenten
— ein vernichtendes Gutachten, das nach Mainz und Frankfurt gesendet
wurde; schließlich blieb auch der Jenenser Hochverräther unbehelligt.—) An
die Spitzen des Beamtenthums trauten sich die Spürer nicht recht heran.
Nur Oberpräsident Merckel forderte seinen Abschied (1820), weil er der
Zwischenträgereien müde war und das Curatorium der Universität Breslau
nicht gern dem neuen Regierungsbevollmächtigten übergeben wollte. Doch
auf die Dauer konnte dieser eingefleischte Schlesier nicht mit ansehen, wie
*) Cabinetsordre an Schuckmann, 2. Mai 1821. Die übrigen Aktenstücke bei
Brockhaus, F. A. Brockhaus. III. 183 f.
**) Stägemann an Solms-Laubach, 22. Dec. 1818.
*x*) Wittgenstein an Schuckmann, 22. Dec. 1820. Vgl. o. II. 431.
+) Altenstein und Schuckmann, Ministerialschreiben an Gaß, 26. April 1823.
f#a) Blittersdorff's Bericht, 13. Juli; Beilage B. zum geheimen Protocolle der
Bundesversammlung vom 3. Juli 1823.
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