Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

462 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
sammte Steuerwesen einem Provinzial-Steuerdirektor unterstellt. Diese 
Einrichtung bewährte sich vollständig und wurde durch Motz auch in den 
übrigen Provinzen eingeführt. Die neuen Behörden mußten nach Landes- 
brauch anfangs oft mit der Eifersucht der Regierung kämpfen, Schön 
namentlich verstand seinem Steuerdirektor das Leben sauer zu machen; 
auch das Volk empfing sie mit Argwohn, denn der Name der Zöllner 
hatte einen bösen Klang, in den alten Provinzen dachte man noch mit 
Schrecken an die Regie-Direktoren des großen Königs. Doch bald lernte 
man die Pünktlichkeit und schlagfertige Raschheit der Steuerbehörden 
schätzen; am Rhein wurde der Steuerdirektor v. Schütz sogar ein volks- 
beliebter Mann. Jede tiefgreifende Steuerreform bedarf der Zeit, um 
ihren Werth zu erproben. Jetzt hatte die Geschäftswelt sich nach und 
nach an die neuen Abgaben gewöhnt, die Beamten Uebung und Sicherheit 
erlangt in den ungewohnten Formen. Auch der Schmuggel begann nach- 
zulassen. Etwa um das Jahr 1827 konnte die Reform als abgeschlossen 
und in den Volksgewohnheiten festgewurzelt gelten. 
Zu ihrer Ergänzung unternahm Motz die Neugestaltung der Do- 
mänenverwaltung, die unter dem Drucke der großen landwirthschaftlichen 
Krisis ganz in Verwirrung gerathen war. Der Minister selbst und der 
neue Direktor des Domänenwesens, Keßler, bereisten persönlich sämmtliche 
Domänen und Forsten der Monarchie, überall jubelnd empfangen von 
der Jägerei und den Pächtern, die es kaum fassen konnten, daß die Herren 
in Berlin sich endlich einmal ihrer Noth annahmen. Dann überwies 
Motz, um mit dem alten Jammer aufzuräumen, alle Rückstände einer 
besonderen Verwaltung und schloß für das gesammte Domanium neue, 
billigere Pachtverträge, welche streng eingehalten wurden, aber hunderte 
von Pächtern vor dem Untergange bewahrten. Mit der Veräußerung 
der Domänen verfuhr er sehr vorsichtig; nur in Westpreußen und Posen 
ließ er zahlreiche Vorwerke an deutsche Colonisten veräußern, „um einen 
selbständigen und der Regierung anhänglichen Bauernstand zu bilden“. 
Das Beste blieb doch, daß man nun endlich wußte, woran man war. 
Nach kaum drei Jahren, am 30. Mai 1828 konnte Motz dem Monarchen 
berichten, daß statt des gefürchteten Deficits ein reiner Ueberschuß von 
4, Mill. erzielt worden sei, der sich nach Eingang der Rückstände auf 
7,8 Mill. steigern müsse; 3,245 Mill. waren bereits bar an den Staats- 
schatz abgeführt, 1/122 Mill. zu außerordentlichen Ausgaben verwendet. 
Dankbar gestand er zu, ohne die großen unter seinem Vorgänger voll- 
zogenen Reformen würde er nicht im Stande sein dem Könige so er- 
freuliche Ergebnisse vorzulegen; aber er durfte sich sagen, nur er habe 
vermocht die Ernte dieser Saaten einzuheimsen, und er fühlte sich bereits 
so sicher, daß er eine mäßige Verminderung der Klassensteuer vorzuschlagen 
wagte: die Stenerpflichtigkeit sollte fortan zwei Jahre später als bisher, 
erst mit dem sechzehnten Lebensjahre beginnen. Auch fernerhin, so schloß
	        
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