Russische Grenzsperre. 477
der russischen Beamten und durch die List der Juden, ein ungeheurer
Schmuggelhandel, der ganze Landstriche entsittlichte. Diese schlimme Erb-
schaft fand Motz bei seinem Amtsantritt vor. Er bemühte sich wieder-
holt, immer vergeblich, um eine Milderung der Grenzsperre. Als
Alexander Humboldt (1829) von seiner sibirischen Reise heimkehrte und
in Petersburg mit fürstlichen Ehren empfangen wurde, überreichte er
seinem Freunde Cancrin in Motz's Auftrag eine Denukschrift, welche
dem russischen Minister die zweischneidige Wirkung seines gewaltsamen
Systems darlegen sollte. Cancrin aber erwiderte — auf seinem Stand-
punkte unwiderleglich: — wir haben keine Differenzialzölle und können
nicht Preußen, das wenig von uns kauft, vor anderen Nationen be-
günstigen. Ueber den rein fiscalischen Geist seiner Handelspolitik sprach
er sich sehr unbefangen aus: „Die Handelssysteme sind ein Uebel der
Welt, aber im Grunde nur eine Schminke der Fiscalität, aus Geldnoth
entsprungen. Von der Wahrheit der Abstraktion bin ich übrigens über-
zeugt.““) —
Für diese Verluste im Osten wie im Norden mußte Preußen einen
Ersatz auf dem deutschen Markte suchen, doch in den letzten Jahren hatte
seine Handelspolitik auch den kleinen Nachbarn gegenüber nur wenig Er-
folge errungen. Die von preußischem Gebiete umschlossenen Kleinstaaten
waren durch das wüste Geschrei, das sich an den Höfen und in der Presse
wider das Zollgesetz erhob, gründlich eingeschüchtert. Der Fürst von Rudol-
stadt getraute sich erst nach drei Jahren (1822) dem verständigen Bei-
spiele seines Sondershausener Vetters zu folgen und mit seiner Unter-
herrschaft dem preußischen Zollsysteme beizutreten. Im nächsten Jahre
wurden auch zwei weimarische Aemter sowie das obere Herzogthum Bern-
burg in die Zollgemeinschaft aufgenommen, und alle Betheiligten be-
fanden sich wohl bei dem freien Verkehre. Aber auf den so oft ver-
heißenen Beitritt der gesammten anhaltischen Lande wartete man in Berlin
noch immer vergeblich. Der Köthener Herzog führte den Schmuggelkrieg
gegen seinen königlichen Schwager wohlgemuth fort, ermuthigt durch
die Einflüsterungen seines Adam Müller und durch das endlose Gezänk
am Bundestage. Als Müller es gar zu frech trieb, mußte sich Hatzfeldt
in Wien beschweren. Metternich gab dem Geschäftsträger sofort einen
scharfen Verweis wegen eines Benehmens, das „den bekanntlich zwischen
Oesterreich und Preußen bestehenden so innigen und freundschaftlichen
Verhältnissen“ durchaus widerspreche, und theilte dies Schreiben dem
preußischen Hofe verbindlich mit.““) Müller's geheime Weisungen lau-
teten aber wahrscheinlich anders; er ließ sich in seinem Treiben keineswegs
*) Cancrin an A. v. Humboldt, 22. Nov. 1829.
**) Hatzfeldt an Metternich, 16. Sept.; Antwort, 2. Okt.; Metternich, Weisung
an A. Müller, 2. Okt. 1824.