Uebertritt der Albertiner. 493
Gesinnung hielt auch Stand, als die albertinische Politik den letzten Schritt
that auf ihrem abschüssigen Wege und August der Starke um die pol—
nische Königskrone zu erringen zur römischen Kirche übertrat. Wie ein
Naturlaut erklang das Protestantenlied „Erhalt' uns Herr bei Deinem
Wort“ in allen Kirchen des Landes, da die unbegreifliche Kunde kam, der
Direktor des Corpus Evangelicorum habe sich selber vom evangelischen
Glauben losgesagt; denn im kirchlichen Leben war dies Volk von jeher
ebenso reizbar wie geduldig in der Politik. Bei schwerer Strafe durfte
hier im Zion der lutherischen Rechtgläubigkeit kein Protestant dem Haus-
gottesdienste der katholischen Gesandtschaften auch nur zusehen. Schon in
der Schule lernten die Kinder ihre Heimath als die Wiege der Refor-
mation verehren — was allerdings nur auf den Kurkreis zutraf, nicht auf
Meißen und das Osterland; jeder Bergknappe in Schneeberg oder Schwar-
zenberg nahm seinen Antheil an dem Ruhme des großen sächsischen Berg-
mannssohnes, der den römischen Papst gestürzt hatte. Gleichwohl wurde
selbst der Glaubenswechsel der Dynastie ertragen. Das altlutherische Staats-
kirchenthum bestand völlig unverändert fort, nur daß der Kurfürst fortan
seine oberstbischöfliche Gewalt den in Evangelicis beauftragten Geheimen
Räthen abtreten mußte, und auf dem Reichstage galt Kursachsen nach
wie vor als der erste evangelische Reichsstand — denn nicht das Kurhaus
Sachsen, sondern nur König August persönlich sollte sein Bekenntniß ge-
wechselt haben. Der Landtag benutzte die Verlegenheit des Monarchen
um die Vorrechte des Adels zu verstärken und Jeden, der nicht acht Ahnen
aufweisen konnte, von der Ritterschaft auszuschließen. Den Katholiken
aber blieben alle politischen Rechte streng versagt; in Polen ließ der König
seine Jesuiten gegen die Thorner Protestanten wüthen, in Dresden wagte
der päpstliche Nuntius das Geschäft der Propaganda nur sehr behutsam,
und selten mit Erfolg zu treiben.
Also über seinen lutherischen Glauben beruhigt, brachte das treue
Volk siebzig Jahre hindurch ungeheure Opfer für die undeutsche Politik
seiner beiden polnischen Auguste. Außer Westpreußen hat kein anderes
deutsches Land durch die Verbindung mit dem Auslande so namenlos
gelitten. Die Hannoveraner, die Holsten, die schwedischen Pommern ver-
dankten den Fremden doch zuweilen militärischen Schutz oder Handels-
vortheile für ihre Flagge; Kursachsen aber wurde durch das Flitterkönig-
thum seiner Herrscher nur in das Ränkespiel, in die anarchischen Kämpfe
und die sittliche Verwilderung eines versinkenden Staates hineingerissen.
Als die Prunksucht der Albertiner mit der Unzucht des polnischen Adels
sich freundlich zusammenfand, trat der deutsche höfische Absolutismus in
seiner Sünde Blüthe. Mit einer Geduld, die uns Nachlebende halb rührt,
halb empört, ließen sich die armen Weber und Spitzenklöppler des Gebirgs
bis auf's Blut aussaugen. Die beste Kraft des Landes floß dahin um
der Königsmark, der Cosel, den zahllosen anderen Dirnen des starken