Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Friedrich August I. 497 
unter den Zeterrufen seiner Landsleute. Die kursächsische Diplomatie stand 
überall im Rufe ränkesüchtiger Falschheit, im Beamtenthum nahmen Gunst- 
bettelei, Nachlässigkeit, Bestechlichkeit überhand, und auch für das Volk, das 
sich in seinem häuslichen Leben so rechtschaffen erhielt, ward die elende 
politische Geschichte des Landes wahrlich keine Schule des Bürgersinnes. 
Zu oft war Kursachsen der Kriegsschauplatz aller Völker gewesen; zu oft 
hatte man den angestammten König fliehen, die Schätze des Grünen Ge- 
wölbes in den Kasematten des Königsteins verschwinden, den Feind jahre- 
lang als Herrn im Lande hausen sehen. Ueberall hieß es: mit dem Hute 
in der Hand kommt man durch das ganze Land. Die unterthänige Liebe 
der Deutschen für ihre Landesherrschaft mußte hier, wo so wenig zu lieben 
war, in niedrige Schmeichelei ausarten. Der tugendhafte Pelican, der 
über dem Portale des Dresdener Schlosses seine Jungen von seinem 
Blute trinken läßt, konnte selbst ergebenen Unterthanen unmöglich als ein 
getreues Sinnbild für die Regierung des starken August erscheinen; und 
wenn das Kenotaph dieses Königs in der Warschauer Kapuzinerkirche die 
Inschrift erhielt: morte quis fortior? gloria et amor — wenn die Stadt 
Leipzig seinen Nachfolger feierlich als den „Wiederhersteller der öffentlichen 
Heiterkeit“ begrüßte — wenn die Lehrer den Schulkindern von dem vier- 
zehn Ellen langen Prachtkuchen des Mühlberger Lustlagers oder von den 
835 Schnupftabaksdosen des Grafen Brühl mit dem Stolz wie von vater- 
ländischen Großthaten erzählten, so sprach aus dem Allen ein Bedienten- 
sinn, der schon den Zeitgenossen auffiel. — 
Mit der kurzen wohlthätigen Herrschaft Friedrich Christian's und der 
langen Regierung seines Nachfolgers Friedrich August kam endlich eine 
bessere Zeit. In vielen der kleinen deutschen Staaten gelangten gegen 
den Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts einsichtsvolle, langlebige Fürsten 
ans Ruder, die mit den Ueberlieferungen des höfischen Absolutismus brachen 
und, von ihrem Hause und Volke wie Heilige verehrt, ihrem Staate auf 
lange hinaus die Richtung gaben: so in Baden Karl Friedrich, in Weimar 
Karl August, in Darmstadt Ludwig I., in Schwerin Friedrich Franz, in 
Dessau Leopold Friedrich Franz. Auch Friedrich August gehörte zu dieser 
Generation wohlwollender Landesväter, die sich bewußt oder unbewußt 
an dem Vorbilde Friedrich's des Großen geschult hatte. Streng gerecht, 
gewissenhaft, arbeitsam brachte er seinen heimgesuchten Unterthanen wieder 
den Segen einer sorgsamen Landesherrschaft, der ihnen seit den Zeiten 
des Kurfürsten August gefehlt hatte. Er machte der Schwelgerei des 
Hofes ein Ende, stellte die gelockerte Zucht im Beamtenthum wieder her, 
ordnete die Finanzen so gründlich, daß nachher selbst durch die Stürme 
des napoleonischen Zeitalters der Staatscredit nicht auf die Dauer er- 
schüttert werden konnte, berief tüchtige Männer in die Geschäfte, vor Allen 
seinen Lehrer Gutschmid — seit unvordenklicher Zeit den ersten Bürger- 
lichen, der in dem Vetterschaftswesen dieser Adelsherrschaft durch wirkliches 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 32
	        
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