502 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
muß den gierigen nordischen Adler fürchten und ihm baldigst Einhalt thun.
Frankreich, Baiern, der Papst, die in Oesterreich mächtigen Geistlichen,
alle kleineren deutschen Fürsten, die in Sachsen ihre Existenz gefährdet
sehen, werden für uns sprechen und die Flamme des Krieges zwischen den
beiden Nebenbuhlern der Oberherrschaft in Deutschland bald anfachen!“
Das Volk hielt die Hoffnung auf die Wiedervereinigung der albertinischen
Lande fast ebenso hartnäckig fest, wie einst die Ernestiner auf die Rückgabe
des verlorenen Kurhuts gewartet hatten. Die Kinder in den Schulen
sangen das trutzige Liedlein: „Die Preußen haben uns 's Land gestohlen,
wir werden's uns schon wieder holen; Geduld, Geduld, Geduld!“
Obwohl der König in seiner strengen Rechtlichkeit den geschlossenen
Friedensvertrag unbedingt achtete, so war es doch nur eine nothwendige
Folge des Geschehenen, daß er eine nähere Verbindung mit Preußen jetzt
für ganz unmöglich hielt. Als sein natürlicher Verbündeter erschien ihm
fortan Oesterreich, obgleich der Kaiserstaat bei jeder Hungersnoth im Erz-
gebirge regelmäßig seine Grenzen schloß und sich auch sonst keineswegs als
gefälliger Nachbar erwies. Der stille Groll gegen Preußen trat nur darum
nicht auffällig hervor, weil die beiden deutschen Großmächte jetzt verbündet
waren, und weil Friedrich August sich wieder ausschließlich den Pflichten
der Landesverwaltung widmete. Die große Politik lag nicht in seinem
Gesichtskreise, indeß fühlte er sich stets geschmeichelt, wenn ihm die Ge-
sandten der Großmächte etwas von den Wirren draußen in der Welt er-
zählten.) Am Bundestage stimmte der sächsische Gesandte gehorsam mit
Oesterreich und ließ im Uebrigen so wenig von sich hören, daß Metternich
zuweilen freundlich mahnte, der Dresdener Hof möge seine treffliche Ge-
sinnung doch etwas lebhafter bethätigen. Also wirkte die Landestheilung
noch lange unheilvoll auf die sächsische Politik zurück. Sie nährte im
Volke einen kleinlichen particularistischen Aerger, der den deutschen National-
stolz ganz überwucherte; sie erschwerte dem Hofe wie dem Volke, die großen
wirthschaftlichen Interessen, welche diesen Staat mit Preußen verbanden,
rechtzeitig zu erkennen.
Allerdings hatte das Land unersetzliche Einbußen erlitten. Verloren
war außer den schönen thüringischen Stiftslanden und dem größten Theile
der Lausitzen auch der Stolz Obersachsens, der Kurkreis; ein gerechtes
Geschick brachte die Heimath der Reformation wieder unter ein treues
protestantisches Herrscherhaus. Und wie viele köstliche geistige Kräfte kamen
dem Staate allein mit den beiden Gelehrtenschulen Pforta und Roßleben
abhanden. Die Armee verlor in Aster ihren begabtesten Offizier, das
Beamtenthum in Streckfuß, Schönberg und Ferber und dem Vater Theodor
Körner's grade die freimüthigen Männer, welche die Gebrechen des alten
Adelsregiments längst durchschaut und gerügt hatten. Jedoch die schönere
*) Jordan's Bericht, 2. Nov. 1826.