512 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
Markgrafschaftslandtag, der von den adlichen Rittern und den vier Sechs—
städten beschickt wurde. Drei Jahre darauf wurde, nach lebhaftem Kampfe
zwischen Ritterschaft und Städten, beschlossen, daß die Rittergutsbesitzer,
welche die Ahnenprobe nicht bestehen konnten, insgesammt vierzig gewählte
Vertreter in den Landtag senden sollten. Die Prälaten, Grafen und Herren
waren jedoch schlechterdings nicht zu bewegen, sich mit der Ritterschaft zu
einem Stande zu vereinigen; sie meinten schon ein großes Opfer zu
bringen, indem sie die Universität Leipzig in ihre Mitte aufnahmen. Als
die Stände den Wunsch aussprachen, eine kurze Uebersicht über die Aus—
gaben und Einnahmen zu erhalten, konnte der greise König sich nicht ent—
schließen, dieser Beschwerde „abhelfliche Maße zu ertheilen“. Die Gewäh—
rung der Bitte war auch nicht nöthig, da doch Niemand den heillosen
Dualismus des Finanzwesens aufheben wollte und im Uebrigen Alles
ehrlich zuging.
Die beantragte Veröffentlichung eines Theiles der Landtagsverhand—
lungen verwarf der König ebenfalls, denn das unverbrüchliche Amts-
geheimniß galt für eine Säule des altsächsischen Staates; überdies war die
Oeffentlichkeit der Landtage eben jetzt in Wien wie in Frankfurt als dema-
gogisch verrufen. Einem Leipziger Gelehrten, der im Nürnberger Corre--
spondenten Einiges aus den Verhandlungen der Stände erzählt hatte
wurde das Allerhöchste „Mißbelieben“ nachdrücklich ausgesprochen. Um
doch etwas zu thun, ließ der König in der Gesetzsammlung einen kurzen
Landtagsbericht veröffentlichen, der aber mit den Schnirkeln und Schnör-
keln des sächsischen Kanzleistils so reichlich ausgestattet war, daß Niemand
ihn lesen konnte. Uebrigens würden die Leser auch die unverkürzte Mit-
theilung dieser Ständeverhandlungen schwerlich vertragen haben. Im
Jahre 1820 ließen sich die getreuen Stände also vernehmen: „Dankbar
priesen sie seitdem die Vorsehung an jenem gleichwichtigen Tage, in
welchem das Vorbild der Regenten, sowie der Inbegriff aller häuslichen
Tugenden sich in dem Glanz eines vollendeten halben Jahrhunderts ver-
herrlichte. Mit nicht minder treu devotester Theilnahme vernahmen sie
die Kunde der fröhlichen Ereignisse, die während dieser Zeit in Allerhöchst-
dero Königlichem Hause stattfanden, insbesondere der beglückenden Bande,
die es von Neuem an das erhabenste Kaiserhaus knüpfen. Noch in heu-
tiger Morgenstunde betraten sie die heilige Stätte, Dankopfer darbringend
dem Allerhöchsten, der E. K. Majestät zum Segen und zur Freude des
ganzen Landes in erwünschtem Wohlergehen erhielt, der Allerhöchstdenen-
selben die Kraft verlieh, sich den mühevollen Regierungssorgen auch wäh-
rend dieses Zeitraumes mit der gewohnten beispiellosen Anstrengung und
Thätigkeit widmen zu können, und in tiefster Ehrfurcht“ — und so weiter
noch einige Aktenseiten lang.“ Und wie mühsam kamen diese unschätz-
*) Adresse des Landtags 1820.