Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Münster. Rehberg. 545 
Herzens hielt er die Anschauungen der Restaurationspolitik immer fest, 
und nach diesen Grundsätzen führte er auch die Regierung von Hannover. 
Er wies den angebotenen Fürstentitel zurück und bezog nur einen nach 
althannoverschen Begriffen sehr bescheidenen Gehalt; um so eifersüchtiger 
wachte er darüber, daß in diesem Staate, den er mit Recht als das Werk 
seiner kunstfertigen Hände betrachtete, kein anderer Wille als der seine 
gelten dürfe. Leider kannte er seine Heimath kaum; er hatte nur drei 
Jugendjahre in der Verwaltung, sein ganzes Mannesleben als Diplomat 
im Auslande zugebracht und kam auch jetzt nur zu kurzen Besuchen nach 
seinem schönen Dotationsgute, dem Kloster Derneburg hinüber. 
So fiel denn die Arbeit der Wiederherstellung des Staates unter 
Münster's Oberleitung zunächst dem Cabinetsrath A. W. Rehberg zu, 
der Zierde des althannoverschen bürgerlichen Beamtenthums. Rehberg 
vereinigte mit gründlicher Geschäftskenntniß eine reiche, philosophisch durch- 
gebildete Gelehrsamkeit und hatte sich durch zahlreiche politische Schriften 
großen Ruf, aber wenig Leser erworben; die kühle Verständigkeit seines 
wohlgefeilten, sentenzenreichen Stiles fesselte nur den Kenner. Er verab- 
scheute die Revolution sowie alle abstrakten politischen Theorien; feurige 
Naturen wie Fichte und Arndt tadelte er von oben herunter, mit der 
Selbstgefälligkeit des praktischen Geschäftsmannes, da ihre Leidenschaft 
Ombrage erregte. Sein politisches Ideal, den altständischen Staat, leitete 
er ab aus „dem republikanischen deutschen Geiste“, der keinen ärgeren 
Feind habe als die Monarchie Friedrich's des Großen; darum sei Preußen 
überall in Deutschland verabscheut, Oesterreich aber, das seine Kronländer 
in der alten Weise ruhig gewähren lasse, allgemein beliebt. Und wie viel 
gesünder als das zusammengewürfelte preußische Beamtenthum erscheine 
die durch Verwandtschaft und Nachbarschaft verbundene Dienst-Aristokratie 
der ständischen Länder! Den Beweis für die Verwerflichkeit der preußi- 
schen Institutionen fand er einfach in der Katastrophe von. 1806, und 
niemals verfiel der geschichtskundige Mann auf die naheliegende Frage: 
warum wohl der hannoversche Musterstaat ebenfalls, und weit unrühm- 
licher als Preußen, den französischen Waffen erlegen war? Nachdem er 
sich während der Fremdherrschaft in ein stilles Nebenamt zurückgezogen, 
ging er jetzt mit freudigem Eifer an die Wiederaufrichtung der alten 
Ordnung, soweit sie sich mit den verwandelten Verhältnissen nur noch 
irgend vertrug. Er blickte mit Stolz auf seine kernhaften niedersächsischen 
Bauern und zeigte für die Lebensbedingungen communaler Selbstverwal- 
tung ein feines Verständniß, das ihm Niebuhr's Beifall gewann. Auch 
verwarf er nicht unbedingt die demokratischen Forderungen der neuen Ge- 
sellschaft; doch alle Neuerungen sollten sich nur Schritt für Schritt, aus 
dem Bestehenden heraus entwickeln. Die Zeit, da es in Deutschland einen 
allgemeinen Stand von Staatsbürgern geben würde, schien ihm noch in 
unabsehbarer Ferne zu liegen. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 35
	        
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