Karl von Braunschweig. 559
So gewissenhaft der braunschweigische Geheime Rath die politischen
Geschäfte der Regentschaft besorgte, ebenso gleichgiltig vernachlässigte König
Georg die persönlichen Pflichten seiner Vormundschaft. Der frühe Tod der
Mutter und das abenteuerliche Schicksal des Vaters hatten den beiden
Prinzen längst allen Frieden der Kindheit verkümmert; auf unsteten
Wanderfahrten durch Deutschland, Schweden, England waren sie nirgends
recht heimisch geworden. Herzog Friedrich Wilhelm mochte dies fühlen; in
seinem Testamente bestimmte er, daß seine Söhne in Zukunft unter der Auf-
sicht ihrer Großmutter, der ehrwürdigen Markgräfin Amalie von Baden
erzogen werden sollten. Der Vormund aber mißachtete diese Vorschrift,
vermuthlich weil er die jungen Welfen ganz in welfischen Händen behalten
wollte. So fiel denn niemals ein Strahl weiblicher Güte in die dunkle
Jugend des Herzogs Karl; seine Base, die Prinzessin Johann von Sachsen
und deren Schwägerin die gute Prinzessin Amalie waren wohl die beiden
einzigen edlen Frauen, die ihm jemals nahe traten, und auch sie erst als
sein Charakter schon verhärtet war. Auf Befehl des Vormunds wurde
er von dem Hofrath Eigner und dem Kammerherrn v. Linsingen sehr
streng erzogen. Seine eigenen, von Unwahrheit überströmenden Erzäh-
lungen verdienen keinen Glauben; Niemand kann mit Sicherheit sagen,
was Alles verfehlt wurde bei der Behandlung des unbändigen jungen
Fürsten, der neben dem Hochmuth und Eigensinn des Welfenblutes von
früh auf liederliche Neigungen und eine unbezwingliche Vorliebe für schlechte
Gesellschaft zeigte. Gewiß ist nur, daß der Herzog seine beiden Erzieher
tödlich haßte und in dem kleinen Kriege, den er täglich wider sie führte,
seine natürliche Bosheit zur abgefeimten Tücke ausbildete; ebenso gewiß,
daß er auf seinen fürstlichen Beruf nur sehr mangelhaft vorbereitet, weder
militärisch geschult, noch über die Zustände und das Recht seines Landes
unterrichtet wurde. Nach englischer Ansicht schien ein solcher Unterricht
überflüssig, da dort alle Institutionen darauf berechnet sind, daß der König
niemals selbst regiere. König Georg verbarg es kaum, daß ihm diese
deutschen Mündel lästig fielen; genug wenn sie Ruhe hielten. Waren sie
doch die Neffen seiner Gemahlin, und diese namenlos gehaßte Frau be-
kämpfte ihren Gemahl noch über das Grab hinaus: ihr Sarg trug die
Inschrift „hier ruht Karoline von Braunschweig, die mißhandelte Königin
von England“ und wurde auf ihren Befehl aus der feindlichen Insel in
die braunschweigische Welfengruft übergeführt.
Nicht eigentlich durch böse Absicht, wohl aber durch die frivole Träg-
heit des lieblosen Vormunds wurde die Erziehung des jungen Herzogs arg
verwahrlost — wenn anders dieser unglückliche Charakter zu erziehen war.
Der Zwang und die Langeweile brachten ihn auf, mit brennender Unge-
duld zählte er die Stunden bis zu dem Tage der Befreiung. Da beging
König Georg noch einen letzten, unbegreiflichen Mißgriff. Nach einem
alten Familienvertrage, dem Pactum Henrico-Wilhelminum vom Jahre