K. Georg IV. und Herzog Karl. 561
noch einer besonderen Prüfung und Genehmigung vor. Er beabsichtigte
durch diesen Staatsstreich zugleich seinen Oheim öffentlich zu beschimpfen
und die erneuerte Landschaftsordnung umzustoßen. Sein Unrecht war
unzweifelhaft. Denn nach deutschem Staatsrecht darf die Regentschaft
nicht als eine privatrechtliche Vormundschaft aufgefaßt werden; dem Re-
genten des unsterblichen Staates gebühren alle Befugnisse des Staats-
oberhauptes, auch das Recht gesetzmäßiger Verfassungsänderung. Auch
gegen die Verlängerung der Regentschaft konnte Herzog Karl, wenn ihm
sein Fürstenwort heilig war, jetzt nicht mehr Einspruch erheben, nachdem
er ihr selber zugestimmt hatte.
Mittlerweile wurde Schmidt-Phiseldeck von den Geschäften entbunden,
im Gehalte verkürzt, durch Anfragen, Vorwürfe, Drohungen dermaßen miß-
handelt, daß er seine Entlassung forderte. Sie ward ihm versprochen, aber
trotz wiederholter Mahnungen nicht gewährt. Der geängstete Mann fürchtete
das Aergste und entfloh nach Hannover, wo er, gemäß einer früheren
Zusage, einen Platz im Geheimen Rathe erhielt. Die vom Herzoge nach-
gesendeten Steckbriefe wies man in Preußen und Hannover als offenbar
willkürlich zurück. Nunmehr ward das braunschweigische Geheimraths=
Collegium mit willfährigen Männern ganz neu besetzt: ein vormaliger
Schreiber, Bitter erhielt die Leitung des Finanzwesens. Im herzoglichen
Cabinet, wo fortan der Schwerpunkt der Geschäfte lag, tauchten unheim-
liche Gestalten auf: so Wit v. Dörring, der Verräther der Demagogen,
und Dr. Klindworth, ein geheimer Agent, der während eines halben Jahr-
hunderts von der Gräfin Lichtenau und dem Fürsten Wittgenstein, nachher
von Metternich, Guizot, Wilhelm von Württemberg, Manteuffel zu Späher-
diensten verwendet wurde und sich zumeist in der einträglichen Rolle des
Doppelspions wohlgefiel; auch die verrufene Gräfin Görtz-Wrisberg hatte
die Hände mit im Spiele. Mit Hilfe dieser Menschen ließ Herzog Karl
eine Reihe unsauberer Libelle anfertigen, welche den König, Münster,
Schmidt-Phiseldeck, alle Räthe der Regentschaft mit Schmähungen über-
schütteten und dem Vormund namentlich vorwarfen, er sei darauf aus-
gegangen, durch seine tyrannische Erziehung die Willenskraft des jungen
Herzogs zu ertödten.
Der hochmüthige englische Hof wurde durch die Angriffe des Braun-
schweigers aufs Aeußerste gereizt. Die politischen Beschwerden des Herzogs
ließen sich leicht widerlegen, aber der Vorwurf der verfehlten Erziehung
war nicht grundlos, wie seltsam er sich auch im Munde des Erzogenen
selber ausnahm. Weil König Georg dies empfand, verlor er alle Hal-
tung und ließ sich von dem alten Hasse gegen die Sippe seiner Gemahlin
gänzlich übermannen. In seinem Auftrage schrieb Münster eine „Wider-
legung der ehrenrührigen Beschuldigungen des Herzogs von Braunschweig“,
ein Libell, dessen maßlose Sprache den braunschweigischen Brandschriften
nichts nachgab. Der Graf scheute sich nicht dem jungen Welfen mit
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 36