Schleswigholstein und Dänemark. 587
so lange mit ihren königlichen Vettern in die Herrschaft der Nordmark
theilten, besaßen stets Stücke von Holstein und Stücke von Schleswig
zugleich, und die Anwesenheit dieser deutschen Fürsten im Lande selbst bot
zugleich eine Gewähr gegen dänische Uebergriffe. Jahrhunderte lang land-
tagten beide Herzogthümer gemeinsam in deutscher Sprache, und unter
dem Schutze dieses deutschen Staatsrechts drang die überlegene deutsche
Cultur unaufhaltsam gegen Norden vor. Das Deutsche war die Sprache
der Bildung und herrschte in allen Städten bis nach Hadersleben hinauf;
Hamburg, „die Stadt“", wie man kurzweg sagte, bildete den Mittelpunkt
für den Verkehr des ganzen Landes. Wohl hatte sich Schleswig noch
aus den Anfängen seiner Geschichte her manche altnordische Einrichtung
erhalten, so das Jütische Lov und die Eintheilung des Landes in Harden;
doch die gesammte neuere Rechtsbildung war auch hier deutsch, während
Holstein aus dem dänischen Rechte schlechterdings nichts aufnahm als einige
Danismen in der Amtssprache — so den nordischen Ausdruck „unbei-
kommend“"“ für unbefugt. Selbst die Bauern Nordschleswigs, die unter
sich ihr Rabendänisch sprachen, lebten mit den deutschen Nachbarn noch
in ungestörter Eintracht. Alles Land von der Königsau bis zur Elbe
gehörte zusammen — man wußte es gar nicht anders —, und seit das
Haus Gottorp auf seine Mitherrschaft verzichtet hatte (1773), war auch
die staatsrechtliche Einheit wieder vollkommen gesichert.
Ein Gefühl der Bedrückung konnte hier um so weniger aufkommen,
da der dänische Gesammtstaat sehr oft durch Männer aus dem schleswig-
holsteinischen Adel regiert wurde, der sich, also in größeren Verhältnissen
geschult, durch Weltkenntniß und freieren Blick vor den Standesgenossen
in Sachsen und Hannover vortheilhaft auszeichnete. Die Könige waren
deutschen Blutes und früherhin meist deutsch gebildet. Seit sie sich durch
das Königsgesetz (1665) die unumschränkte Gewalt in Dänemark errungen
hatten, erfreuten sich die neuen Alleingewaltserbkönige des Vortheils,
welcher den Absolutismus zur Beschwichtigung nationaler Gegensätze vor-
züglich befähigt: sie konnten, was ein constitutioneller Fürst fast niemals
kann, zwischen den verschiedenen Nationen, die ihr Scepter beherrschte,
eine neutrale Mittelstellung einnehmen, so daß sie keiner von ihnen
schlechthin als Fremde erschienen. Bis in den Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts bestand auch noch das Vermächtniß der Hausa, die alte
Gemeinschaft baltischer Cultur, die erst allmählich durch das Erstarken
des skandinavischen Volksthums zerstört wurde: deutsche Sprache und
Wissenschaft behaupteten das Uebergewicht in allen Ostseelanden, die Uni-
versitäten Lund und Kopenhagen waren ihren deutschen Schwestern Kiel,
Rostock, Greifswald, Königsberg in Art und Unart noch nahe verwandt,
selbst im dänischen Heere herrschte noch die deutsche Commandosprache.
Mit Selbstgefühl, aber ohne Groll standen die Schleswigholsteiner neben
den verbrüderten Dänen. Wohl schied ein scharfer natürlicher Gegensatz