Erster Landtag. Kirchenpolitik. 609
bar bestimmt war, das Ansehen des Geburtsadels herabzubringen, blieb
als bairische Eigenthümlichkeit erhalten.
Deutlicher als in den Ständeverhandlungen zeigten sich die Folgen
des Thronwechsels in dem geistigen Leben des Landes. In der Welt der
Ideen und der Träume war dem neuen König am wohlsten, der von sich
selber sagte:
Sehnen will ich und schwärmen und träumen,
Phantasie nur befriedigt, entzückt.
Er hob die Preßverordnung auf, die einst nach den Karlsbader Beschlüssen
erschienen war, und obwohl die Censur für politische Zeitschriften fortbe—
stand, so wurde sie doch in diesen ersten vertrauensvollen Jahren mild
gehandhabt; freimüthige Urtheile über das Verfahren der einheimischen
Behörden sollten Jedem unverwehrt sein. Auch die Kirche sollte fortan
größerer Freiheit genießen als unter der aufgeklärt-bureaukratischen Re—
gierung des Vaters. Der gläubige Sohn stellte die alten Hausbräuche
der Wittelsbacher wieder her, wusch am Grünen Donnerstag den Armen
die Füße, schritt andächtig mit in der Frohnleichnams-Procession; er gab
der Hauptstadt das alte Wappen wieder, das ihr Montgelas einst ge—
nommen hatte, weil das Münchener Männlein leider ein unaufgeklärtes
Mönchlein war; er erlaubte den Ober-Ammergauer Bauern die bisher
ebenfalls verbotene Aufführung ihres schönen alten Passionsspieles, und
beeilte sich die noch unausgeführten Versprechungen des Concordats ein—
zulösen. Sofort wurden acht Manns- und vier Nonnenklöster wiederher—
gestellt, zuerst Karl's des Großen ehrwürdige Stiftung, die Benediktinerabtei
Metten an der Donau. Nach und nach mehrte sich die Zahl. Mit Ver—
wunderung sahen die Münchener wieder die Benediktiner, Kapuziner, Fran-
ziskaner, die lange ganz verschollen gewesen, durch die Straßen ziehen.
Den Bauern aber gereichte es zur Beruhigung, daß sie das Ignazi-Wasser,
das Quirinus- und Walpurgis-Oel, die Lukaszettel, sowie die anderen
landesüblichen Wundermittel nunmehr wieder aus der Hand geweihter
Gottesmänner kaufen konnten. Bald ging der König sogar über die Vor—
schriften des Concordats hinaus, indem er außer dem verheißenen Priester—
seminar auch zwei Knabenseminare einrichten ließ; er wollte fromme Priester,
die den letzten Bodensatz des Illuminatenthums aus dem gläubigen Baier—
lande hinausfegen sollten, und bemerkte nicht, wie fremd der Nachwuchs
des Clerus dem Vaterlande werden mußte, wenn man ihn schon in zarter
Jugend von der bürgerlichen Gesellschaft absperrte.
An die Spitze des protestantischen Consistoriums wurde der Schwabe
Roth gestellt, ein strenger Orthodoxer, der die Ultramontanen als will—
kommene Bundesgenossen gegen den rationalistischen Unglauben ansah.
Seit die Königin Wittwe nach Würzburg ziehen mußte, verlor ihr Hof—
prediger, der versöhnliche Schmitt, seinen Einfluß, und das harte, der
Union feindliche Lutherthum, das in Erlangen unter den jungen Theologen
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 39