Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Neuer Streit um die Pfalz. 621 
geblich wurde sein Gesandter in München mit Auszeichnungen überhäuft. 
Nun schrieb Graf Bray eine große Denkschrift Sur la réversibilité du 
Palatinat, welche sämmtlichen europäischen Höfen zuging. Dann ließ der 
König auch die erloschenen Sponheimer Erbansprüche hervorholen und die 
seltsame Forderung aufstellen: bei der Thronbesteigung der Grafen von 
Hochberg, deren Erbrecht doch von allen Großmächten längst anerkannt 
war, müsse Baden seinen Main-Tauberkreis als Entschädigung für Spon— 
heim an Baiern abtreten. 
Und wie plump wurden diese nichtigen Ansprüche vertheidigt, wie 
taktlos stellte der König seine persönliche Würde bloß. Umsonst suchten 
gehässige Flugschriften und Zeitungsartikel die öffentliche Meinung für 
den rechtmäßigen Pfalzgrafen zu begeistern. Der badische Staatsrath 
Winter fertigte die Angreifer durch eine gründliche Denkschrift siegreich 
ab. Auch Drohungen wurden laut: mehrmals befürchtete die gute Stadt 
Heidelberg einen Handstreich der Nachbarn, obschon das bairische Heer 
eben jetzt zu kühnen Kriegsthaten wenig befähigt war. Im August 1826 
reiste der König von Würzburg nach Aschaffenburg und verweilte eine Zeit 
lang dicht an der Grenze des badischen Mainlandes, das er sich zur Beute 
ausersehen hatte. Die Münchener politische Zeitung berichtete darüber: 
„Berge und Thäler wetteiferten, dem erhabenen Reisenden die unbegrenzte 
Freude aller Bewohner über eine so beglückende Erscheinung auf das Glän- 
zendste an den Tag zu legen. Himmel und Erde jauchzten freudetrunken 
zusammen. Aus dem badischen Wertheim kamen die Mütter mit ihren 
Säuglingen auf den Armen, der Handwerker schloß seine Werkstätte, sogar 
der Tagelöhner vergaß seine Arbeit und seinen Erwerb. Die Freude der 
benachbarten Landbewohner glich ganz jener der Eingebornen und drückte 
so recht deutlich ihren Wunsch aus, auch Angehörige eines Fürsten zu sein, 
dessen Stolz die Liebe seines Volkes ist.“ Als der badische Gesandte sich 
über diese wundersame Sprache beschwerte, erwiderte der Minister Graf 
Thürheim achselzuckend, der Herausgeber habe den Artikel genau so abge- 
druckt, wie er ihm von gewisser Seite zugesandt worden seil“) 
Jahrelang wiederholten sich diese kindischen Auftritte. Im Frühjahr 
1829 bereiste der König die bairische Pfalz, bog plötzlich von der graden 
Straße ab und erschien an einem Feiertage auf der Rheinschanze, Mannheim 
gegenüber. Auf dieser Stelle, wo späterhin unter Ludwig's thatkräftiger 
Fürsorge das gewerbfleißige Ludwigshafen aufblühte, standen damals nur 
einige verrufene Schmugglerhäuser, ein Gasthof und ein bairisches Zahlen- 
lottobureau, bestimmt zur freundnachbarlichen Ausbeutung der Mann- 
heimer Geldbeutel. Man hatte dafür gesorgt, daß des Königs Ankunft 
bekannt wurde. Eine dichte Menschenmenge strömte in dem anrüchigen 
Orte zusammen; der Monarch empfing gute Bekannte, erschien mehrmals 
  
*) Berichte von Küster, 25. Aug., Blittersdorff, 30. Aug. 1826.
	        
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