Die Stuttgarter Zoll-Conferenzen. 627
handlungen durch seine Reizbarkeit. Der bairisch-württembergische Ent—
wurf nahm das bairische Zollgesetz zur Grundlage, gewährte den beiden
Königreichen eine überwiegende Stimmenzahl — was alsbald bestritten
wurde — und vertheilte die Einnahmen nach der Kopfzahl der Bevöl-
kerung. Hier erhob sich ein Streit, der wieder ein scharfes Licht warf auf
die Gesinnung der kleinen Höfe. Sollte die Bevölkerung berechnet werden
nach einer neuen Zählung oder auf Grund der provisorischen Bundes-
matrikel? Die Matrikel diente zum Maßstab für die militärischen Lei-
stungen der Bundesstaaten; als man sie zusammen stellte, ergab sich in
vielen Kleinstaaten eine betrübende Entvölkerung, eine überraschend niedrige
Kopfzahl. Jetzt, da die Zolleinnahmen nach der Stärke der Bevölkerung
vertheilt werden sollten, betheuerten die kleinen Gesandten wie aus einem
Munde: die Matrikel genüge längst nicht mehr, die Zahl der Einwohner sei
inzwischen zur Freude aller Wohlmeinenden wunderbar schnell gewachsen!
Den wichtigsten Streitpunkt bildete doch die Frage nach den Formen
der Verwaltung. Die königlichen Höfe verlangten durchaus eine gemein-
schaftliche Centralverwaltung; sie trauten den Beamten der kleineren
Staaten nicht. Dem württembergischen Finanzminister schien die getrennte
Verwaltung schon darum unzulässig, weil dann nur sehr geringe Zoll-
einnahmen unmittelbar in seine Kassen fließen würden; wer bürgte dafür,
daß die Bundesgenossen ihre Überschüsse pünktlich herauszahlten? Gereizt
durch solches Mißtrauen hielten die Minister der Rheinuferstaaten abermals
eine Zusammenkunft in Mainz (Ende März 1825) und beschlossen, fest
auf dem Heidelberger Protocolle zu bestehen. Triumphirend erzählte Mar-
schall an Berstett, wie überlegen sein Herzog den Kronprinzen von Baiern
bei einem Besuche in Biebrich abgefertigt habe. „Niemals," hatte der
stolze Nassauer in heiligem Zorne gerufen, „niemals werde ich mir von
Euch in meinem Lande Gesetze vorschreiben lassen. Meine 300,000 Unter-
thanen sind mir gerade so lieb, wie Euch Eure 3 Millionen. Ich brauche
Euch nicht!“ — worauf der Baier den Austausch freundnachbarlicher
Gefühle abschloß mit der Betheuerung: „Wir brauchen Euch auch nicht!“7)
Zugleich setzte der Karlsruher Hof seinen ergebenen Landtag in Bewegung;
der geistreiche allezeit particularistische Staatsrechtslehrer Karl Salomon
Zachariä kämpfte auf der Rednerbühne wider die Anmaßung der königlichen
Höfe: „wer ist wohl Herr in seinem Hause, wenn er die Herrschaft mit
anderen theilt?“ Da gaben Baiern und Württemberg endlich nach.
Doch alsbald erhob sich ein neuer Zwist: um den Tarif — ein Streit,
der bei dem grundtiefen Gegensatze der Meinungen zum Bruche führen
mußte. Baden gab als höchsten Zoll für Colonialwaaren 1 ½ Gulden
zu und hielt dies für ein großes Zugeständniß, während Baiern für Kaffee
16 Fl. forderte; Wollenwaaren dachte Baiern mit 60 Fl. zu belasten,
*) Marschall an Berstett, 4. Mai 1825.
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