Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

640 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
ließ sich leicht errathen. Zum Ueberfluß sprach Fürst Metternich selbst 
seine Bestürzung in sauersüßen Worten aus. Der preußische Gesandte 
theilte dem österreichischen Staatskanzler eine Denkschrift mit, die sich 
ausführlich über Preußens bisherige Handelspolitik verbreitete. Darauf 
erwiderte der Fürst: „Der Darmstädter Vertrag hat großes Aufsehen 
erregt, wie ja Alles in Deutschland mißdeutet wird. Doch ist uns lieb, 
daß Preußen sich so offen ausspricht; mit der Denkschrift bin ich im 
Wesentlichen einverstanden. Baiern hat uns kürzlich aufgefordert, den 
preußisch--hessischen Vertrag zu hintertreiben. Wir lehnten ab, da solche 
Verträge eine Consequenz der Sonveränität sind. Ich kann aber nicht 
verhehlen, daß, sobald dergleichen Verbindungen aufhören bloß aus dem 
administrativen Gesichtspunkte betrachtet zu werden und ihnen eine politische 
Tendenz zu Grunde gelegt wird, die Grundgesetze des Bundes ihnen 
entgegenstehen.“ Darauf empfahl er dem preußischen Hofe abermals, wie 
einst auf dem Aachener Congresse, die Vorzüge der k. k. Provinzialmauthen; 
wenn man in Preußen Provinzialzölle einführte, so würde man der 
lästigen Zollverträge nicht bedürfen! Mit Entzücken vernahm Motz diese 
Orakelsprüche und schrieb an Eichhorn: „Von den Finanzansichten des 
Fürsten von Metternich werden wir wohl keinen Gebrauch machen können. 
Dagegen wollen wir nicht bestreiten, daß es in vieler Beziehung für uns 
ohne Nachtheil sein wird, wenn er für Oesterreich bei seinen erleuchteten 
Ansichten beharrt.““) Zudem wußte Eichhorn, wie eifrig der k. k. Gesandte 
in Darmstadt der Ratification des Vertrags entgegengewirkt hatte; noch 
im Februar war Otterstedt von Karlsruhe hinübergeeilt, um dem öster- 
reichischen Einfluß die Wage zu halten. 
Auch jenes deutsche Cabinet, das damals dem Berliner Hofe am 
nächsten stand, auch Hannover, überraschte durch auffällige Ungezogenheit. 
Der König wollte nicht, daß das befreundete Nachbarland aus dem neuen 
Vereine Besorgniß schöpfe. Er befahl daher eine Ausnahme zu machen 
von der Regel, wonach Preußen sich aller handelspolitischen Anerbietungen 
enthalten sollte, und ließ in Hannover einige neue Straßenzüge und 
bedeutende Zollerleichterungen vorschlagen, da nach den Grundsätzen der 
hannoverschen Politik ein wirklicher Zollverein doch nicht zu erwarten 
stand. Aber diese Eröffnungen blieben unerwidert. Das war mehr als 
Verstimmung; das deutete auf feindselige Pläne, die im Dunkeln sich 
vorbereiteten. 
Die öffentliche Meinung zeigte sich, wie immer in der Geschichte des 
Zollvereins, noch verblendeter als die Cabinette, und die Hofburg ver- 
stand, trotz ihres Hasses gegen den Liberalismus, den liberalen Unver- 
stand vortrefflich auszubeuten. In Frankfurt arbeitete unter Münch's 
Augen eine k. k. Correspondenzenfabrik: mit merkwürdiger Uebereinstimmung 
  
*) Maltzan's Bericht, 14. April; Motz an Eichhorn, 21. April 1828.
	        
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