642 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
Doch betrugen die Zolleinnahmen nur 9½ Sgr. auf den Kopf der Be-
völkerung, während Preußen das Zweiundeinhalbfache, 24 Sgr., einnahm.
Die Kosten der Zollverwaltung verschlangen mindestens 44 Proc. der
Einkünfte; in Baiern war der Rohertrag für das Rechnungsjahr 1828
bis 1829: 2,612 Mill. Fl., der Reinertrag nur 1,582 Mill. Fl. Die ge-
ringen Zölle genügten nicht die heimische Industrie wirksam zu schützen,
und doch blieb jede Erhöhung unmöglich, wenn nicht der gesammte Rein-
gewinn den Staatskassen verloren gehen sollte. Am Kläglichsten befand
sich die bairische Pfalz. Die entlegene Provinz sollte vor der Hand
außerhalb der Mauthlinien bleiben und ihre eigenen Erzeugnisse zollfrei
in das Vereinsland einführen, was denn sofort französische, badische,
rheinpreußische, hessische Fabrikanten zu großartigem Schmuggel veranlaßte.
Gewichtige Stimmen in der Pfalz forderten laut den Anschluß an Preußen;
einer der ersten Industriellen der Provinz, Geh. Rath Camnzzi, schrieb in
diesem Sinne an die Allgemeine Zeitung, ward aber von der Firma
Cotta abgewiesen.
König Ludwig wollte die Gebrechen des Vereines lange nicht bemerken.
Wie war er stolz auf seiner Hände Werk, den ersten deutschen Zollverein;
wie schwelgte er in erhabenen Träumen von historischer Unsterblichkeit.
Er wollte fortleben im Munde später Geschlechter als der Vollender der
fossa Carolina, jenes Canales zwischen der Nordsee und dem Schwarzen
Meer, den Karl der Große ersonnen, doch nicht ausgeführt hatte, und
beschäftigte sich auch mit großen Eisenbahnplänen, seit Franz Baader im
Nymphenburger Park einen Dampfwagen fahren ließ. „Jetzt sind die
Zollsysteme der beiden Großmächte nicht mehr furchtbar“ — hieß es bei
Hofe. Schon war ein Unterhändler nach Zürich gesendet, um die Schweiz
zum Eintritt in den süddeutschen Verein oder doch zu einem Handels-
vertrage zu bewegen. Niemals hatte Baierns Gestirn glänzender geleuchtet
als im Januar 1828; niemals zuvor hatte der König eine so stolze
Sprache gegen den Bundestag geführt. „Die antisocialen, antiföderalistischen
Tendenzen der bairischen Politik“ traten, wie Blittersdorff klagte, dem
Präsidialgesandten schroff entgegen. Sofort nach der Unterzeichnung des
süddeutschen Zollvertrages ging Frhr. v. Zu Rhein nach Darmstadt, um
das Großherzogthum zum Beitritt einzuladen und ihm die Parität, welche
ihm die beiden Königreiche bisher verweigert hatten, bedingungslos zu-
zugestehen.'!)" War Hessen gewonnen, so mußte das widerhaarige Baden
auf Gnade oder Ungnade sich ergeben.
Mitten in diese holden Träume siel niederschmetternd die Kunde von
dem preußisch-hessischen Vertrage. Durch diesen Verein, das sprang in
die Augen, verlor der süddeutsche Verein sofort Sinn und Bedeutung.
König Ludwig sah seine theuersten Hoffnungen zerstört, blieb mehrere
*) Nach du Thil's Aufzeichnungen.