644 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
ruhiger an. Selbst König Wilhelm von Württemberg blieb nüchtern und
gleichmüthig. Sein Geschäftsverstand war doch stärker als sein Groll
gegen Preußen; auch mochten ihm die bitteren Erfahrungen der Tage von
Verona noch unvergessen sein. In einem Gespräche mit du Thil ver—
barg er zwar seine Enttäuschung nicht, gestand aber zu: „früher oder
später werden wir noch gezwungen sein Euerem Beispiele zu folgen.“ Im
selben Sinne erklärte sein Minister Beroldingen dem preußischen Ge—
sandten, „daß Württemberg in die deutsch-patriotischen Gesinnungen der
preußischen Regierung niemals auch nur den geringsten Zweifel gesetzt
hat und die bestehenden besonderen Vereine zugleich als Mittel betrachtet,
zu dereinstiger Erreichung des gemeinschaftlichen Zweckes in einer all—
gemeinen Ausdehnung den Weg zu bahnen.“*)
Wie der preußische Staat Alles, was er für die Macht und Einheit
unseres Vaterlandes that, erkämpfen mußte gegen den Widerstand des
Auslandes, so ward auch der preußisch-hessische Bund sofort von den
Ränken der fremden Mächte umsponnen. Im Verein mit Frankreich ver—
suchte Holland Unfrieden zu säen zwischen Süd und Nord. Der Minister
Verstolck van Soelen machte den württembergischen Geschäftsträger auf-
merksam auf die Gefahren, welche der deutschen Handelsfreiheit und der
Unabhängigkeit der Kleinstaaten drohten. Der Württemberger, ein ver-
ständiger Mann, der seinem preußischen Collegen, dem Grafen Truchseß-
Waldburg, Alles mittheilte, antwortete treffend: die Zölle der fremden
Mächte, und nicht zuletzt Hollands, zwingen uns Deutsche, uns zu einigen
und neue Handelswege zu suchen — worauf Verstolck heilig versicherte:
die Herabsetzung der niederländischen Zölle stehe nahe bevor; für jetzt
aber dürfe man nur an den Widerstand gegen den gemeinsamen Feind,
gegen Preußen denken.) Eichhorn, der die holländischen Kaufherren aus
den endlosen Rheinschifffahrtsverhandlungen genugsam kannte, schrieb an
den Rand der Depesche: Die Niederlande verfolgen gar keinen positiven
Zweck, sie wollen nur die weitere Einigung Deutschlands in Zollsachen ver-
hindern. In der That lud der niederländische Geschäftsträger Mollerus
den Münchener Hof ein, für den süddeutschen Verein einen Handelsvertrag
mit Holland abzuschließen, und betheuerte zugleich die gute Absicht seines
Hofes, sich mit den oberländischen Staaten über Preußen hinweg wegen
der Rheinzölle zu verständigen. Bestimmte, greifbare Vorschläge übergab
er nicht; die Absicht war lediglich, Baiern und Württemberg von Preußen
fernzuhalten..*"), Auch England bezeigte seine Unzufriedenheit. Der
Präsident des Handelsamts, Charles Grant, beschwerte sich bei dem
preußischen Gesandten Bülow heftig über die hohen Zölle des preußisch-
*) Beroldingen an Küster, 27. März, 22. April 1828.
**) Truchseß's Bericht, 20. April 1828.
*““) Berichte Fahnenberg's, 6., 16. Mai, Küster's, 8. Mai 1828.