Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

640 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
Vertrag bis zum Mai geheim; denn niemals hätte der Stolz des 
Casseler Despoten sich entschlossen, einem bereits veröffentlichten Vertrage 
nachträglich beizutreten und also vor der Welt zuzugestehen, daß das 
mindermächtige Darmstadt ihm vorangegangen sei. Hofmann ging noch im 
(Februar, auf der Rückreise von Berlin, nach Cassel und meinte die Lage 
ziemlich günstig zu finden. Freiherr v. Meysenbug und andere hohe Be- 
amte, mit denen er vertraulich sprach, gaben ihm bereitwillig zu, daß 
Kurhessen nach Darmstadts Beitritt nicht mehr zögern dürfe: nur der 
Anschluß an Preußen könne die zerrüttete Volkswirthschaft retten. Gleich- 
wohl war Hofmann im Frrthum; schon nach vierundzwanzig Stunden 
mußte er unverrichteter Dinge abziehen. „An diesem Hofe“, schrieb du 
Thil, „sind rationelle Berechnungen nicht statthaft.“ Hinter und über den 
Beamten trieb die Reichenbach ihr Wesen, die noch immer auf eine öster- 
reichische Fürstenkrone hoffte. 
Auf solchem Boden war den armseligen Künsten der kleinen Höfe 
die Stätte bereitet. Ein Heerlager von amtlichen und geheimen Unter- 
händlern strömte im Frühjahr 1828 zu Cassel zusammen, um den Kur- 
fürsten von Preußen fernzuhalten. Aus Baiern erschienen die Geheimen 
Räthe Oberkamp und Siebein, der Erstere wohlgeschult in dem Ränkespiele 
der Eschenheimer Gasse; auch seinen Freund v. d. Tann schickte König 
Ludwig hinüber. Für Württemberg arbeitete der alte Agitator Miller von 
Immenstadt, jetzt württembergischer Steuerrath. Aus Sachsen kam Frhr. 
v. Lützerode, aus Hannover Kammerrath Lüder, auch Coburg und Mei- 
ningen sendeten Unterhändler. Dann erschien „zum allgemeinen Schrecken“ 
Präsident v. Porbeck aus Arnsberg, um dem Berliner Cabinet über das 
verworrene Treiben zu berichten. Die Darmstädter Regierung erneuerte 
im März ihren Versuch und sendete den Prinzen Wittgenstein, um dem 
Kurfürsten mitzutheilen: Preußen habe eingewilligt, daß der Zutritt Kur- 
hessens zu dem Vertrage vorbehalten bleibe, und Darmstadt den Antrag 
stelle; der Großherzog erlaube sich daher anzufragen, ob der Kurfürst die 
Absendung eines Bevollmächtigten genehmige. Am 12. März sprach der 
Kurfürst dem Prinzen seinen verbindlichen Dank aus. Doch schon nach 
drei Tagen schlug der Wind um. Sei es, daß Wittgenstein allzu zuver- 
sichtlich aufgetreten war, sei es, daß Oberkamp und die Reichenbach dem 
ufürsten die Schmach einer Unterwerfung unter Preußens Befehle ge- 
schildert hatten — genug, am 15. März ließ der Finanzminister Schminke 
ein Schreiben an du Thil abgehen, in jener Tonart, die nur in Cassel 
oder Köthen möglich war: „S. K. Hoheit können nicht ohne große Em- 
pfindlichkeit wahrnehmen, daß in einem Allerhöchstdemselben und Aller- 
höchstdero Kurstaate durchaus fremden Vertrage von Seiten des großh. 
Hofes Stipulationen in Beziehung auf das Kurfürstenthum eingegangen 
sind und eine Initiative ergriffen worden ist, welche das Kurhaus in An- 
sehung des großherzoglichen Hauses sich nicht einmal gestattet hat. Aller-
	        
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