650 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
schrift den Nothstand der Industrie, die Unterlassungssünden der Regierung.
König Anton aber hielt, wie sein Minister Manteuffel, einen Handels—
bund mit Preußen für unmöglich. Eben in jenen Jahren stand ein alter
Lieblingsgedanke der albertinischen Politik in voller Blüthe. Vor Kurzem
erst, nach dem Aussterben des Hauses Gotha, hatte der König von Sachsen
den Schiedsrichter und väterlichen Vermittler gespielt zwischen den ernesti—
nischen Vettern. Man hoffte in Dresden, eine dauernde Hegemonie über
die thüringischen Lande zu erlangen. Um so schmerzlicher empfand man
die Gefahr, daß Thüringen dem preußischen oder dem süddeutschen Vereine
sich anschließen könnte.
Aus solchen Berechnungen entsprang der Plan, einen Gegen-Zoll-
verein zu bilden, der, ohne selbst ein positives handelspolitisches Ziel zu
verfolgen, nur als ein Keil zwischen die beiden Zollvereine hineindringen,
ihre Verbindung hindern sollte. Es galt, die ersten Anfänge der Handels-
einheit zu zerstören, den schmachvollen Zustand deutscher Zerrissenheit zu
verewigen. Die Träger dieser Politik waren zwei Gebrüder Carlowitz) aus
einem der ehrenwerthesten Häuser des obersächsischen Adels. Der Aeltere,
königlich sächsischer Minister, war bis zum vorigen Jahre noch Bundes-
tagsgesandter gewesen und stand in der Eschenheimer Gasse in lebhaftem
Andenken als ein wohlmeinender Geschäftsmann der alten Schule, ein
pedantischer Vertreter der bekannten kursächsischen Formelseligkeit. Der
Jüngere, jetzt Minister in Gotha, persönlich ebenfalls sehr achtungswerth,
hatte alle die unausrottbaren Vorurtheile des kursächsischen Adels mit
aus der Heimath hinübergenommen. Vergeblich stellten ihm gothaische
Beamte vor, ihr Ländchen sei auf Preußen angewiesen; der verständige
Kammerrath Braun rief ihm zu: „Sie handeln als königlich sächsischer,
nicht als herzoglich sächsischer Staatsmann.“ Er blieb dabei, „ein neu-
traler Verein“ sei nothwendig, „eine achtunggebietende Masse zwischen den
beiden Zollvereinen, stark genug, um beiden Bedingungen zu diktiren.“
Der Herzog von Gotha ward für die Pläne seines sächsischen Rathgebers
leicht gewonnen. Er stand mit dem Berliner Hofe auf schlechtem Fuße,
weil er sein entlegenes Saarland Lichtenberg gegen ein Stück des preußi-
schen Thüringens auszutauschen wünschte und König Friedrich Wilhelm
diese Zumuthung noch immer beharrlich abwies. In ihren Mitteln war
die Coburgische Handelspolitik wenig wählerisch. Aller drei Wochen ging
von Coburg eine Sendung neu geprägter unterwerthiger Münzen nach
Lichtenberg; von dort überflutheten die unter dünner Silberhülle röthlich
schimmernden Coburger Sechser das benachbarte süddeutsche Guldenland,
und diese gewerbmäßige Falschmünzerei währte jahrelang fort trotz den
Beschwerden der Nachbarn. Auch am Weimarischen Hofe herrschte augen-
blicklich eine gegen Preußen leidenschaftlich eingenommene Partei, an ihrer
Spitze der gescheidte Minister Schweitzer.
So wurde denn ein hochgefährliches Unternehmen gegen Deutschlands