Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

654 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
Reunionskammer“, mußte sich von dem preußischen Gesandten Bülow 
„sein wenig gerades Benehmen“ vorwerfen lassen. Zugleich bat, wie 
Bülow von dem Minister Fitzgerald selbst erfuhr, der sächsische Gesandte 
in London um durchgreifende Maßregeln gegen das preußische Zollsystem, 
das dem englischen Handel und der Unabhängigkeit der deutschen Staaten 
gleich verderblich sei.') So trat denn Hannover dem Vereine bei; das 
Industrieland Sachsen unterwarf sich dem englischen Handelsinteresse. 
Frhr. v. Grote, ein fähiger hannoverscher Beamter, Preußens geschwo- 
rener Feind, wurde neben Lindenau die Seele des Bundes. 
Auch Bremen trat hinzu. Der treffliche Smidt hatte sich allzu tief 
eingelebt in die Träume Wangenheim's, der auch jetzt wieder aus seinem 
Coburger Stillleben heraus gegen Preußen arbeitete; er konnte ein krank- 
haftes Mißtrauen gegen den norddeutschen Großstaat nicht überwinden, 
und jetzt da die rein-deutschen Sonderbundspläne sogar von Oesterreich 
insgeheim unterstützt wurden, gab er sich ihnen unvorsichtiger hin zals 
sonst seine Art war. Er wünschte, wie er am Bundestage mehrmals 
aussprach, deutsche Consulate und eine deutsche Flagge. Doch so lange 
Deutschland noch nicht ein nationales Handelsgebiet bildete, war das lockere 
hannoversche Zollwesen für den bremischen Freihandel bequemer als das 
strenge preußische System. Die von dem „neutralen“ Vereine versprochene 
Erleichterung des Transitverkehrs konnte auf den ersten Blick einen han- 
seatischen Staatsmann allerdings bestechen. Aber auch nur auf den ersten 
Blick. Voreingenommen gegen Preußens Zollsystem bemerkte Smidt nicht, 
daß die Theilnahme an dem neuen Handelsbunde der überlieferten han- 
seatischen Handelspolitik schnurstracks widersprach; der Verein war in Wahr- 
heit nicht neutral, sondern durchaus parteiisch, antipreußisch. Smidt dachte 
so hoch von dem Werthe dieser todtgeborenen Vereinigung, daß er ihrem 
Urheber, dem Sachsen Carlowitz, das bremische Ehrenbürgerrecht verschaffte 
— eine seltene Auszeichnung, welche seit dem Freiherrn vom Stein kein 
deutscher Staatsmann mehr erlangt hatte. Ruhiger urtheilte der Ham- 
burger Senat; er lehnte jede Mitwirkung ab, weil Hamburgs Freihafen 
den Interessen des gesammten deutschen Verkehrs zu dienen habe. Die 
Frankfurter großen Firmen dagegen begrüßten mit Jubel die in Aus- 
sicht gestellte Erleichterung des Durchfuhrhandels, die den landesüblichen 
Schmuggel mächtig fördern mußte; auch waren die Patricier der stolzen 
Republik längst gewöhnt, den unterthänigen Schweif des k. k. Bundes- 
gesandten zu bilden. Bürgermeister Thomas und Senator Guaita zu- 
sammt dem österreichischen Anhang setzten den Beitritt durch, gegen den 
heftigen Widerspruch einer preußischen Partei. 
Territorialen Zusammenhang konnte der Verein nur durch Kurhessen 
  
*) Bülow's Bericht, 31. Juli 1828, übereinstimmend mit Blittersdorff's Berichten 
aus Frankfurt.
	        
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