654 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
Reunionskammer“, mußte sich von dem preußischen Gesandten Bülow
„sein wenig gerades Benehmen“ vorwerfen lassen. Zugleich bat, wie
Bülow von dem Minister Fitzgerald selbst erfuhr, der sächsische Gesandte
in London um durchgreifende Maßregeln gegen das preußische Zollsystem,
das dem englischen Handel und der Unabhängigkeit der deutschen Staaten
gleich verderblich sei.') So trat denn Hannover dem Vereine bei; das
Industrieland Sachsen unterwarf sich dem englischen Handelsinteresse.
Frhr. v. Grote, ein fähiger hannoverscher Beamter, Preußens geschwo-
rener Feind, wurde neben Lindenau die Seele des Bundes.
Auch Bremen trat hinzu. Der treffliche Smidt hatte sich allzu tief
eingelebt in die Träume Wangenheim's, der auch jetzt wieder aus seinem
Coburger Stillleben heraus gegen Preußen arbeitete; er konnte ein krank-
haftes Mißtrauen gegen den norddeutschen Großstaat nicht überwinden,
und jetzt da die rein-deutschen Sonderbundspläne sogar von Oesterreich
insgeheim unterstützt wurden, gab er sich ihnen unvorsichtiger hin zals
sonst seine Art war. Er wünschte, wie er am Bundestage mehrmals
aussprach, deutsche Consulate und eine deutsche Flagge. Doch so lange
Deutschland noch nicht ein nationales Handelsgebiet bildete, war das lockere
hannoversche Zollwesen für den bremischen Freihandel bequemer als das
strenge preußische System. Die von dem „neutralen“ Vereine versprochene
Erleichterung des Transitverkehrs konnte auf den ersten Blick einen han-
seatischen Staatsmann allerdings bestechen. Aber auch nur auf den ersten
Blick. Voreingenommen gegen Preußens Zollsystem bemerkte Smidt nicht,
daß die Theilnahme an dem neuen Handelsbunde der überlieferten han-
seatischen Handelspolitik schnurstracks widersprach; der Verein war in Wahr-
heit nicht neutral, sondern durchaus parteiisch, antipreußisch. Smidt dachte
so hoch von dem Werthe dieser todtgeborenen Vereinigung, daß er ihrem
Urheber, dem Sachsen Carlowitz, das bremische Ehrenbürgerrecht verschaffte
— eine seltene Auszeichnung, welche seit dem Freiherrn vom Stein kein
deutscher Staatsmann mehr erlangt hatte. Ruhiger urtheilte der Ham-
burger Senat; er lehnte jede Mitwirkung ab, weil Hamburgs Freihafen
den Interessen des gesammten deutschen Verkehrs zu dienen habe. Die
Frankfurter großen Firmen dagegen begrüßten mit Jubel die in Aus-
sicht gestellte Erleichterung des Durchfuhrhandels, die den landesüblichen
Schmuggel mächtig fördern mußte; auch waren die Patricier der stolzen
Republik längst gewöhnt, den unterthänigen Schweif des k. k. Bundes-
gesandten zu bilden. Bürgermeister Thomas und Senator Guaita zu-
sammt dem österreichischen Anhang setzten den Beitritt durch, gegen den
heftigen Widerspruch einer preußischen Partei.
Territorialen Zusammenhang konnte der Verein nur durch Kurhessen
*) Bülow's Bericht, 31. Juli 1828, übereinstimmend mit Blittersdorff's Berichten
aus Frankfurt.