Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

658 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
wärtigen Zollvereine einseitig beizutreten. Die Straßen sollen in gutem 
Stande erhalten, neue Straßenzüge verabredet werden. Die bestehenden 
Durchfuhrzölle auf Waaren, welche für einen Vereinsstaat bestimmt sind, 
dürfen nicht erhöht werden; dagegen steht es dem Vereine wie jedem Ver— 
einsstaate frei, Waaren, die aus dem Auslande in das Ausland gehen, 
mit höheren Transitgebühren zu belasten. England-Hannover war es, 
das diesen unzweideutigen Art. 7 durchgesetzt hatte. Es lag darin die 
Drohung, den Handel zwischen den beiden Hälften der preußischen Monarchie 
zu zerstören und zugleich eine systematische Begünstigung der englischen 
Einfuhr. Denn da auf Hannovers ausdrückliches Verlangen jedem Ver— 
einsstaate die Befugniß eingeräumt wurde, Handelsverträge mit dem Aus- 
lande zu schließen, so eröffnete sich den englischen Waaren über Bremen 
und Hannover ein fast zollfreier Weg nach den Binnenstaaten, welche, wie 
Sachsen, Thüringen, Nassau, Frankfurt, noch kein geordnetes Grenzzoll- 
system besaßen. Noch deutlicher sprach der neunte Artikel, der jedem Ver- 
einsstaate das Recht zu einseitigen Retorsionen vorbehielt; Kurhessen hatte 
diese Bestimmung gefordert, und der Kurfürst verstand unter Retorsionen 
jede gehässige Gewaltthat wider die Nachbarn. Die einzige wesentliche 
Wohlthat, welche der Verein dem Handel brachte, war die Erleichterung 
des Transits, und sie ward erkauft durch schwere Schädigung der heimischen, 
vornehmlich der erzgebirgischen Industrie. Im Uebrigen dauerten alle 
bestehenden Accisen und Zölle fort; nur Waarenverbote zwischen den Ver- 
einsstaaten waren unstatthaft, auch sollten die gewöhnlichen Erzeugnisse 
des Landbaus nicht verzollt werden. 
Der Kern des Vertrags blieb die Absicht, auf sechs Jahre hinaus 
die Erweiterung des preußischen Zollsystems zu verhindern und inzwischen 
vielleicht durch Ableitung des Durchfuhrhandels dem Zollwesen Preußens 
die Wurzeln abzugraben. Eine von Marschall und Röntgen verfaßte 
nassauische Denkschrift über das Verhältniß des Vereins zu Preußen und 
Baiern-) giebt über diese freundnachbarlichen Absichten sicheren Aufschluß. 
Sie schildert beweglich, wie Darmstadt sich „an ein nicht aus seiner Auto- 
nomie hervorgegangenes System“ angeschlossen habe. Allerdings wurden 
dabei „die äußeren Formen der Selbständigkeit gewahrt“, aber das Groß- 
herzogthum „hat sich während der Dauer des Vertrags jeder materiellen 
Autonomie begeben, kann nur noch eine großmüthige Berücksichtigung seiner 
Wünsche in billigen Anspruch nehmen und ist deshalb seiner endlichen 
Mediatisirung um einen bedeutenden Schritt näher gerückt.“ Solcher 
Schwäche gegenüber sind die Verbündeten entschlossen, „keine willenlose 
Hingebung zu zeigen, keine nicht aus dem eigenen Bedürfniß hervorge- 
gangene Handelsgesetzgebung“ anzunehmen. „Das Wesentliche des Casseler 
  
7) Die Denkschrift ist vermuthlich zu Anfang des Jahres 1829 entstanden. Die gleich- 
lautenden Abschriften in den Karlsruher und den Berliner Akten tragen kein Datum.
	        
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