660 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
bereit Anträge und Vorschläge zur Ausbildung des Bundes entgegenzu—
nehmen. Niemand wußte einen möglichen Vorschlag. Schon vor der Cas—
seler Zusammenkunft gestand Lindenau einem Frankfurter Amtsgenossen:
„die Mehrzahl der Theilnehmer betrachtet den Verein als ein Ruhekissen,
sie ist froh, daß Alles beim Alten bleibt.“ Nun klagten die Thüringer über
Sachsens hegemonischen Ehrgeiz, Frankfurt über die erdrückenden kurhessi-
schen Mauthen. Der Kurfürst, um seinen Holzmagazinen höhere Preise
zu schaffen, verbot den altgewohnten Holzhandel, der aus den hannoverschen
Waldgebirgen nach Hessen hinüber geführt ward. Die Unmöglichkeit, mit
einem solchen Fürsten freundnachbarlich auszukommen, lag vor Augen.
Fast ein Jahr währten die Verhandlungen zwischen den beiden hessischen
Häusern wegen der Erleichterung einiger Enclaven; da erklärte der Kur-
fürst: die gegenseitige Verpflichtung, die Durchfuhrzölle auf gewissen Straßen
nicht zu erhöhen, solle allein für Darmstadt, nicht für Kurhessen gelten!
Seine Weisung an die Unterhändler fand Maltzan „ausgezeichnet durch
naive Unwissenheit und despotischen Ton, der Feder eines Rabener würdig“.
Immer schärfer trat der tiefe Gegensatz der handelspolitischen Anschau-
ungen innerhalb des Vereins hervor. Die Kaufherren von Frankfurt und
Bremen forderten unbeschränkten Freihandel, Hannover die Begünstigung
der englischen Waaren. Andere Staaten träumten von neuen Zolllinien;
wieder andere hofften die Milderung des preußischen Zollsystems und dann
den Eintritt in dies System zu erzwingen. Kein einziger Kopf an allen
diesen kleinen Höfen, der einen klaren Gedanken mit Ausdauer verfolgte;
Karl August von Weimar war im Sommer 1828 gestorben. Bald son-
derten sich die Küstenlande und die Binnenstaaten in zwei Gruppen.
Thüringen und Sachsen schlossen einen Separatvertrag, desgleichen Han-
nover und Oldenburg. Sie versprachen, ihre gegenseitigen Unterthanen
im Handelsverkehre auf gleichem Fuße zu behandeln u. s. w. — gering-
fügige Erleichterungen, die in Preußen gar nicht nöthig waren, da das
freiere preußische Zollgesetz zwischen In= und Ausländern nicht unterschied.
Die einfache in Berlin längst feststehende Erkenntniß, daß nur die Besei-
tigung der Binnenmauthen dem deutschen Handel aufhelfen könne, war
diesen Cabinetten noch nicht aufgegangen. Die gedankenlose Trägheit der
österreichischen Staatsmänner fühlte sich befriedigt von dem Erfolge des
Augenblicks. Dem preußischen Zollsysteme war ein Riegel vorgeschoben,
der einige Jahre halten mochte; eine positive Ausbildung des Handels-
vereins wünschte man in Wien nicht, da jeder Bund im Bunde gefährlich
schien. Selbstgefällig sagte Münch-Bellinghausen zu Blittersdorff: „wie
klug hat Oesterreich gehandelt, die Collisionen zu vermeiden, denen Preußen
nicht entgehen wird!“ Der weiterblickende Badener aber schrieb: Ich war
erstaunt über solche Verblendung. Als ob ein Stillstand im Völkerleben
möglich sei! Als ob der preußisch-hessische Verein sich jemals wieder auf-
lösen würde! Oesterreich allein hat all dies Unheil verschuldet, hat nichts