Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

660 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
bereit Anträge und Vorschläge zur Ausbildung des Bundes entgegenzu— 
nehmen. Niemand wußte einen möglichen Vorschlag. Schon vor der Cas— 
seler Zusammenkunft gestand Lindenau einem Frankfurter Amtsgenossen: 
„die Mehrzahl der Theilnehmer betrachtet den Verein als ein Ruhekissen, 
sie ist froh, daß Alles beim Alten bleibt.“ Nun klagten die Thüringer über 
Sachsens hegemonischen Ehrgeiz, Frankfurt über die erdrückenden kurhessi- 
schen Mauthen. Der Kurfürst, um seinen Holzmagazinen höhere Preise 
zu schaffen, verbot den altgewohnten Holzhandel, der aus den hannoverschen 
Waldgebirgen nach Hessen hinüber geführt ward. Die Unmöglichkeit, mit 
einem solchen Fürsten freundnachbarlich auszukommen, lag vor Augen. 
Fast ein Jahr währten die Verhandlungen zwischen den beiden hessischen 
Häusern wegen der Erleichterung einiger Enclaven; da erklärte der Kur- 
fürst: die gegenseitige Verpflichtung, die Durchfuhrzölle auf gewissen Straßen 
nicht zu erhöhen, solle allein für Darmstadt, nicht für Kurhessen gelten! 
Seine Weisung an die Unterhändler fand Maltzan „ausgezeichnet durch 
naive Unwissenheit und despotischen Ton, der Feder eines Rabener würdig“. 
Immer schärfer trat der tiefe Gegensatz der handelspolitischen Anschau- 
ungen innerhalb des Vereins hervor. Die Kaufherren von Frankfurt und 
Bremen forderten unbeschränkten Freihandel, Hannover die Begünstigung 
der englischen Waaren. Andere Staaten träumten von neuen Zolllinien; 
wieder andere hofften die Milderung des preußischen Zollsystems und dann 
den Eintritt in dies System zu erzwingen. Kein einziger Kopf an allen 
diesen kleinen Höfen, der einen klaren Gedanken mit Ausdauer verfolgte; 
Karl August von Weimar war im Sommer 1828 gestorben. Bald son- 
derten sich die Küstenlande und die Binnenstaaten in zwei Gruppen. 
Thüringen und Sachsen schlossen einen Separatvertrag, desgleichen Han- 
nover und Oldenburg. Sie versprachen, ihre gegenseitigen Unterthanen 
im Handelsverkehre auf gleichem Fuße zu behandeln u. s. w. — gering- 
fügige Erleichterungen, die in Preußen gar nicht nöthig waren, da das 
freiere preußische Zollgesetz zwischen In= und Ausländern nicht unterschied. 
Die einfache in Berlin längst feststehende Erkenntniß, daß nur die Besei- 
tigung der Binnenmauthen dem deutschen Handel aufhelfen könne, war 
diesen Cabinetten noch nicht aufgegangen. Die gedankenlose Trägheit der 
österreichischen Staatsmänner fühlte sich befriedigt von dem Erfolge des 
Augenblicks. Dem preußischen Zollsysteme war ein Riegel vorgeschoben, 
der einige Jahre halten mochte; eine positive Ausbildung des Handels- 
vereins wünschte man in Wien nicht, da jeder Bund im Bunde gefährlich 
schien. Selbstgefällig sagte Münch-Bellinghausen zu Blittersdorff: „wie 
klug hat Oesterreich gehandelt, die Collisionen zu vermeiden, denen Preußen 
nicht entgehen wird!“ Der weiterblickende Badener aber schrieb: Ich war 
erstaunt über solche Verblendung. Als ob ein Stillstand im Völkerleben 
möglich sei! Als ob der preußisch-hessische Verein sich jemals wieder auf- 
lösen würde! Oesterreich allein hat all dies Unheil verschuldet, hat nichts
	        
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