662 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
Verein nicht ignoriren; wir müssen unser gerechtes Befremden aussprechen
und den Entschluß „jeder uns auf irgend eine Art compromittirenden
weiteren Entwicklung dieses sonderbaren Systems auf angemessene Weise
entgegenzutreten“.“)
Ueber Oesterreichs Absichten war der entschlossene Mann längst im
Klaren. Er wußte, daß die k. k. Verpflegungsbeamten in Mainz, um den
preußisch-hessischen Verein zu schädigen, die vertragsmäßige Steuerfreiheit
der österreichischen Garnison gröblich mißbrauchten, für Tabak, Zucker,
Bier massenhaft Steuerfreischeine ausgaben, mehr als ganz Rheinhessen
verzehren konnte.) Er forderte, der Gesandte in Wien solle rund heraus
erklären: wir lassen uns nicht täuschen durch das Blendwerk, das mit
dem Art. 19 getrieben wird, wir lassen uns weder imponiren, noch uns
mißbrauchen. Am 8. November schrieb er dem Minister des Auswärtigen
gradezu: „Ob und inwieweit überhaupt auf wahre freundschaftliche Ver—
hältnisse von Oesterreich gegen uns zu rechnen sei, vermag ich nicht' zu
beurtheilen. So viel scheint mir aber sicher zu sein, daß Oesterreich dem
übereilt organisirten Deutschen Bunde den Charakter des ehemaligen
deutschen Fürstenbundes beizulegen und darin die Rolle Friedrich's des
Großen zu übernehmen denkt.“ Oesterreichs Haltung gegen uns in dem
Köthener Zollstreit war entschieden feindselig, ohne Oesterreichs Beistand
wäre der mitteldeutsche Verein nie zu Stande gekommen.)
Ein Blick auf diese Aktenstücke genügt, um das Räthsel zu lösen,
warum das Berliner Cabinet über die geheime Geschichte seiner Handels-
politik beharrlich geschwiegen, auch die windigsten Prahlereien der zahl-
reichen leiblichen und geistigen Väter des Zollvereins gelassen ertragen
hat. Das Bündniß der Ostmächte war nach wie vor der leitende Ge-
danke der auswärtigen Politik des Königs. Brach man mit Oesterreich,
so wurde der Deutsche Bund unhaltbar und auch der werdende Zollverein
selber in Frage gestellt. Für Preußens Diplomatie ergab sich mithin die
Aufgabe, durch ruhige feste Haltung den Wiener Hof dahin zu bringen,
daß er der preußischen Handelspolitik nicht gradezu widerstrebte. Preußen
räumte der Hofburg die Führerstelle ein in dem Schattenspiele des Bundes-
tags und verlangte für sich die Leitung der wirklichen Geschäfte deutscher
Staatskunst. Dies blieb der einzig mögliche Weg nationaler Politik, so
lange man weder den Willen noch die Macht besaß, die kriegerische Aktion
der fridericianischen Tage zu erneuern. Den deutschen Dualismus zu be-
seitigen, kam dem Könige nicht zu Sinn; die Absicht war nur, dem preu-
ßischen Staate im Bereiche der deutschen Politik ein Gebiet selbständigen,
*) Motz an Bernstorff, 26. Juni 1828.
**) Witzleben an Motz, 30. Mai, nebst Bericht des Majors v. Rochow in Mainz,
21. Mai 1828.
*"rit) Motz an Bernstorff, 29. Juni, S. Nov. 1828.