Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

662 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
Verein nicht ignoriren; wir müssen unser gerechtes Befremden aussprechen 
und den Entschluß „jeder uns auf irgend eine Art compromittirenden 
weiteren Entwicklung dieses sonderbaren Systems auf angemessene Weise 
entgegenzutreten“.“) 
Ueber Oesterreichs Absichten war der entschlossene Mann längst im 
Klaren. Er wußte, daß die k. k. Verpflegungsbeamten in Mainz, um den 
preußisch-hessischen Verein zu schädigen, die vertragsmäßige Steuerfreiheit 
der österreichischen Garnison gröblich mißbrauchten, für Tabak, Zucker, 
Bier massenhaft Steuerfreischeine ausgaben, mehr als ganz Rheinhessen 
verzehren konnte.) Er forderte, der Gesandte in Wien solle rund heraus 
erklären: wir lassen uns nicht täuschen durch das Blendwerk, das mit 
dem Art. 19 getrieben wird, wir lassen uns weder imponiren, noch uns 
mißbrauchen. Am 8. November schrieb er dem Minister des Auswärtigen 
gradezu: „Ob und inwieweit überhaupt auf wahre freundschaftliche Ver— 
hältnisse von Oesterreich gegen uns zu rechnen sei, vermag ich nicht' zu 
beurtheilen. So viel scheint mir aber sicher zu sein, daß Oesterreich dem 
übereilt organisirten Deutschen Bunde den Charakter des ehemaligen 
deutschen Fürstenbundes beizulegen und darin die Rolle Friedrich's des 
Großen zu übernehmen denkt.“ Oesterreichs Haltung gegen uns in dem 
Köthener Zollstreit war entschieden feindselig, ohne Oesterreichs Beistand 
wäre der mitteldeutsche Verein nie zu Stande gekommen.) 
Ein Blick auf diese Aktenstücke genügt, um das Räthsel zu lösen, 
warum das Berliner Cabinet über die geheime Geschichte seiner Handels- 
politik beharrlich geschwiegen, auch die windigsten Prahlereien der zahl- 
reichen leiblichen und geistigen Väter des Zollvereins gelassen ertragen 
hat. Das Bündniß der Ostmächte war nach wie vor der leitende Ge- 
danke der auswärtigen Politik des Königs. Brach man mit Oesterreich, 
so wurde der Deutsche Bund unhaltbar und auch der werdende Zollverein 
selber in Frage gestellt. Für Preußens Diplomatie ergab sich mithin die 
Aufgabe, durch ruhige feste Haltung den Wiener Hof dahin zu bringen, 
daß er der preußischen Handelspolitik nicht gradezu widerstrebte. Preußen 
räumte der Hofburg die Führerstelle ein in dem Schattenspiele des Bundes- 
tags und verlangte für sich die Leitung der wirklichen Geschäfte deutscher 
Staatskunst. Dies blieb der einzig mögliche Weg nationaler Politik, so 
lange man weder den Willen noch die Macht besaß, die kriegerische Aktion 
der fridericianischen Tage zu erneuern. Den deutschen Dualismus zu be- 
seitigen, kam dem Könige nicht zu Sinn; die Absicht war nur, dem preu- 
ßischen Staate im Bereiche der deutschen Politik ein Gebiet selbständigen, 
  
*) Motz an Bernstorff, 26. Juni 1828. 
**) Witzleben an Motz, 30. Mai, nebst Bericht des Majors v. Rochow in Mainz, 
21. Mai 1828. 
*"rit) Motz an Bernstorff, 29. Juni, S. Nov. 1828.
	        
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