Motz gegen den mitteldeutschen Handelsverein. 663
ungestörten Wirkens zu erobern. Ein solches System setzte behutsame
Vorsicht und unverbrüchliche Verschwiegenheit voraus; es fiel dahin, sobald
die Welt erfuhr, wie planmäßig Preußens Handelspolitik arbeitete und
wie deutlich die besten Köpfe des Cabinets den Gegensatz der Interessen
erkannten, der die beiden großen Bundesmächte trennte.
Das Auswärtige Amt ging nicht sofort auf die kampflustige Gesinnung
des Finanzministers ein. Der König verlangte ruhige, sorgfältige Prüfung,
damit nicht durch vorschnelles Urtheil deutschen Bundesstaaten Unrecht
geschehe. Sobald nähere Nachrichten einliefen, stimmte Eichhorn der An—
sicht Motz's bei und erließ eine Instruction an sämmtliche Gesandten in
Deutschland, welche ausführlich darstellte, wie unberechtigt und hoffnungs-
los das Unternehmen der Mitteldeutschen sei: die Verbündeten mögen sich
die Frage vorlegen, was ein Verein von sechs Millionen Einwohnern, der
fast nur Binnenländer umfaßt, bei einem Conflikte mit uns gewinnen
dürfte, „ob der innere Verkehr nicht ertödet statt belebt, und der Handel
mit dem Auslande nicht beschränkt statt ausgebreitet werden würde“.
Außerdem erhielt die Wiener Gesandtschaft die Weisung sich zu beschweren
über die feindselige Haltung der österreichischen Diplomaten und dem
Staatskanzler die auf Metternich's Demagogenfurcht berechnete Frage
ans Herz zu legen: „Sind es nicht hauptsächlich die Absonderungen und
Trennungen, welche im Handel und Verkehr stattfinden, wodurch eine
Stimmung des Mißbehagens, der Unzufriedenheit und der Sehnsucht nach
einer Veränderung unterhalten wird?“ Der Gesandte in London ward
befehligt entschieden auszusprechen, daß an Verhandlungen mit Hannover
vorerst nicht mehr zu denken sei: „wir müssen offen gestehen, daß unser
Vertrauen von hannoverscher Seite schlecht erwidert worden ist.“ Jordan
in Dresden sollte sein Befremden über die mißtrauische Heimlichkeit der
sächsischen Politik kundgeben; Grote in Hamburg dem Senate „die An-
erkennung seines weisen und angemessenen Betragens aussprechen und
dabei erklären, man hoffe, daß er bei demselben auch verharren werde.“)
Zugleich erging an die Regierungen der Grenzbezirke der Befehl, die
handelspolitischen Maßregeln der Verbündeten, die sich noch immer in
räthselhaftes Dunkel hüllten, scharf zu beobachten. Hier zeigte sich die
ganze Unnatur des mitteldentschen Vereins. Das Vereinsgebiet lag im
Bereiche der preußischen Macht, war überall von eingesprengten preußischen
Gebietsstücken unterbrochen, durch tausend Bande des nachbarlichen Ver-
kehrs an Preußen gekettet. Eine Schaar von preußischen Postbeamten,
Floßinspektoren, Schifffahrtsaufsehern lebte in Feindesland, gab sichere
Nachricht über Alles, was auf den Flüssen und Straßen der Verbündeten
vorging. Die Staatszeitung und Buchholz's Neue Monatsschrift begannen
*) Eichhorn, Weisung an die Gesandtschaften in Deutschland, 14. August 1828;
Motz an Bülow in London, 2., 24. Mai 1828.