Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Motz gegen den mitteldeutschen Handelsverein. 663 
ungestörten Wirkens zu erobern. Ein solches System setzte behutsame 
Vorsicht und unverbrüchliche Verschwiegenheit voraus; es fiel dahin, sobald 
die Welt erfuhr, wie planmäßig Preußens Handelspolitik arbeitete und 
wie deutlich die besten Köpfe des Cabinets den Gegensatz der Interessen 
erkannten, der die beiden großen Bundesmächte trennte. 
Das Auswärtige Amt ging nicht sofort auf die kampflustige Gesinnung 
des Finanzministers ein. Der König verlangte ruhige, sorgfältige Prüfung, 
damit nicht durch vorschnelles Urtheil deutschen Bundesstaaten Unrecht 
geschehe. Sobald nähere Nachrichten einliefen, stimmte Eichhorn der An— 
sicht Motz's bei und erließ eine Instruction an sämmtliche Gesandten in 
Deutschland, welche ausführlich darstellte, wie unberechtigt und hoffnungs- 
los das Unternehmen der Mitteldeutschen sei: die Verbündeten mögen sich 
die Frage vorlegen, was ein Verein von sechs Millionen Einwohnern, der 
fast nur Binnenländer umfaßt, bei einem Conflikte mit uns gewinnen 
dürfte, „ob der innere Verkehr nicht ertödet statt belebt, und der Handel 
mit dem Auslande nicht beschränkt statt ausgebreitet werden würde“. 
Außerdem erhielt die Wiener Gesandtschaft die Weisung sich zu beschweren 
über die feindselige Haltung der österreichischen Diplomaten und dem 
Staatskanzler die auf Metternich's Demagogenfurcht berechnete Frage 
ans Herz zu legen: „Sind es nicht hauptsächlich die Absonderungen und 
Trennungen, welche im Handel und Verkehr stattfinden, wodurch eine 
Stimmung des Mißbehagens, der Unzufriedenheit und der Sehnsucht nach 
einer Veränderung unterhalten wird?“ Der Gesandte in London ward 
befehligt entschieden auszusprechen, daß an Verhandlungen mit Hannover 
vorerst nicht mehr zu denken sei: „wir müssen offen gestehen, daß unser 
Vertrauen von hannoverscher Seite schlecht erwidert worden ist.“ Jordan 
in Dresden sollte sein Befremden über die mißtrauische Heimlichkeit der 
sächsischen Politik kundgeben; Grote in Hamburg dem Senate „die An- 
erkennung seines weisen und angemessenen Betragens aussprechen und 
dabei erklären, man hoffe, daß er bei demselben auch verharren werde.“) 
Zugleich erging an die Regierungen der Grenzbezirke der Befehl, die 
handelspolitischen Maßregeln der Verbündeten, die sich noch immer in 
räthselhaftes Dunkel hüllten, scharf zu beobachten. Hier zeigte sich die 
ganze Unnatur des mitteldentschen Vereins. Das Vereinsgebiet lag im 
Bereiche der preußischen Macht, war überall von eingesprengten preußischen 
Gebietsstücken unterbrochen, durch tausend Bande des nachbarlichen Ver- 
kehrs an Preußen gekettet. Eine Schaar von preußischen Postbeamten, 
Floßinspektoren, Schifffahrtsaufsehern lebte in Feindesland, gab sichere 
Nachricht über Alles, was auf den Flüssen und Straßen der Verbündeten 
vorging. Die Staatszeitung und Buchholz's Neue Monatsschrift begannen 
  
*) Eichhorn, Weisung an die Gesandtschaften in Deutschland, 14. August 1828; 
Motz an Bülow in London, 2., 24. Mai 1828.
	        
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