Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

668 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
male in Berlin. Der preußische Minister verlor zuweilen fast die Geduld 
bei allen den ängstlichen Vorbehalten, welche der süddeutsche Unterhändler 
stellen mußte, und klagte bitterlich über diesen „Hökerkram“.)) Gegen 
die vollständige Zollbefreiung der eigenen Produkte erhob Baiern Bedenken; 
man fürchtete in München die überlegene rheinische Industrie. Auch mit 
seinem Vorschlage, daß die bairische Pfalz sofort dem preußischen Zoll- 
vereine beitreten solle, drang Motz nicht durch; der Stolz der bairischen 
Krone widerstrebte, auch der Münchener Landtag hätte der unerläßlichen 
Abänderung des pfälzischen Steuerwesens niemals zugestimmt. Noch 
weniger war auf Badens Beitritt zu hoffen. Der kleine Staat wollte 
die günstige Gelegenheit benutzen, um seinen Länderbestand für alle Zu- 
kunft sicherzustellen; er forderte, daß vor den Zollverhandlungen der 
Sponheimer Streit beigelegt werde. Da König Ludwig darauf nicht ein- 
ging, so erkannte das Berliner Cabinet im Laufe des Winters selbst, daß 
man nicht wohl thue die Verhandlungen noch mehr zu verwickeln, und 
ließ Baden vorläufig aus dem Spiele. 
Am 6. März 1829 begannen endlich die amtlichen Verhandlungen in 
Berlin. Die süddeutschen Kronen waren durch ihre Gesandten Luxburg 
und Blomberg vertreten, den Ausschlag gab Cotta, der von beiden Königen 
Vollmacht hatte. Für Preußen erschienen Eichhorn und Schönberg, dazu 
Motz, Maassen und Finanzrath Windhorn. Auch Hofmann kam aus 
Darmstadt herüber. Die ersten Kräfte der Regierung waren aufgeboten; 
es galt die Brücke über den Main zu schlagen. Am 27. Mai 1829 wurde 
der Vertrag unterzeichnet. Preußen-Hessen und Baiern-Württemberg ver- 
sprachen einander bis zum Jahre 1841 Zollfreiheit für alle inländischen 
Erzeugnisse der Natur, des Gewerbfleißes und der Kunst; nur für eine 
Reihe wichtiger Fabrikwaaren sollte, auf Baierns Andringen, zunächst bloß 
eine Zollerleichterung um 25 Proc. eintreten, bis allmählich die völlige 
Befreiung erfolgen könne. Beide Theile verpflichteten sich, ihre Zollsysteme 
mehr und mehr in Uebereinstimmung zu bringen; alljährlich sollten Be- 
vollmächtigte zusammentreten „zur Befestigung und Erweiterung dieses 
Vertrags“. Auch ein Zollcartell wurde für die Zukunft verabredet. Der 
Vertrag trug in Allem den Charakter eines Provisoriums; er begründete 
die engste Form handelspolitischer Vereinigung, die sich erreichen ließ, so 
lange die Länder der Verbündeten nicht in festem geographischen Zusammen- 
hange standen. Alle Betheiligten fühlten, daß sie erst im Beginne einer 
Zeit gemeinsamer handelspolitischer Aktion standen; sie verpflichteten sich 
zu Protocoll, Handelsverträge mit solchen Ländern, die an mehrere Ver- 
einsstaaten zugleich angrenzten, also vornehmlich mit Baden, nur im 
gemeinsamen Einverständniß abzuschließen. 
Unbeirrt durch die Peinlichkeit der Einzelverhandlungen hielt Motz 
*) Motz an Maassen, 25. Januar 1829. 
 
	        
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