Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Der preußisch-bairische Handelsvertrag. 669 
seinen Blick fest auf die großen Verhältnisse des Vaterlandes gerichtet; er 
wußte, daß er seinem Staate die Bahn zu einer stolzen Zukunft geöffnet 
hatte. Im Juni sprach er sich gegen den König über die politische Be— 
deutung der geschlossenen Verträge offen aus.“) Seine Denkschrift wirft 
zuerst einen Rückblick auf die vollendete Unfähigkeit des Bundestags, der 
niemals in förmliche Berathung über die Handelseinheit getreten sei; selbst 
während der Noth von 1817 habe man in Frankfurt nur genau so viel 
gethan, „um den föderativen Nachbar, im buchstäblichen Sinne des Worts, 
nicht verhungern zu lassen. Wie konnte dies auch anders sein, da dem 
Deutschen Bunde ein großer Staat an der Spitze steht, der das ihm 
eigenthümliche, seit fünfzig Jahren schon bestehende, seinem privaten 
Interesse bis daher vermeintlich zusagende, mit den Interessen der übrigen 
Staaten des Deutschen Bundes aber nicht vereinbarliche Zoll- und Prohibitiv— 
System aufzugeben nicht gewillt ist; da andere Bundesglieder die Handels— 
Interessen ihrer Haupt-Staaten denen ihrer Bundeslande unterzuordnen 
nicht gemeint sind, vielmehr letztere, natur- und sachgemäß, an die ersteren 
festgeknüpft haben; und da wieder andere den Gegenstand mehr nur aus 
fiskalischem wie aus staatswirthschaftlichem Gesichtspunkte betrachtet wissen 
wollen? Der Deutsche Bund gab damit ein Beispiel, wie die allgemeine 
Staatengeschichte bis dahin noch keines aufzuweisen hat;“ es entstand ein 
Handelskrieg Aller gegen Alle, „der weit schlimmer war als ein innerer 
Krieg der Waffen nur je hätte sein können“. Dann erinnert Motz an 
die patriotischen Bestrebungen des deutschen Handelsstandes, an die persön— 
lichen Bemühungen der Souveräne von Baiern und Württemberg. Als 
gleichzeitig der bairisch-württembergische und der preußisch-hessische Verein 
sich bildeten, lag die Möglichkeit zweier großen Zollvereine für ganz 
Deutschland vor. Da erhob sich unter Oesterreichs Führung der neutrale 
Verein, der den status quo, d. h. das Unerträgliche aufrecht erhalten 
will; er zwang uns sogleich weiter zu gehen und das große Handels— 
System zu begründen. 
Dies System, fährt die Denkschrift fort, bietet erstens commercielle 
Vortheile. Die Verbindung umschließt schon jetzt 20 Mill. Einwohner, 
behauptet also den dritten Platz unter den europäischen Staaten, da 
Oesterreich kein einiges Marktgebiet bildet; sie wird auf 25 Mill. steigen, 
sobald der mitteldeutsche Verein wahrnimmt, „daß er ganz und gar einen 
eitlen Zweck verfolgt“, und die süd= und mitteldentschen Staaten nebst 
Mecklenburg uns beitreten; sie wird auf 27 Mill. steigen, wenn auch die 
anderen Staaten (soweit sie nicht Nebenlande sind), also Hannover, Braun- 
schweig, Oldenburg und die Hansestädte eintreten. Der innere Verkehr 
*) Memoire über die Wichtigkeit der von Preußen mit den süddeutschen Staaten 
geschlossenen Zoll= und Handelsverträge, Juni 1829. Entworfen von Geh. Rath Mentz, 
von Motz eigenhändig stark umgearbeitet.
	        
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