Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

680 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
bleiben würde als die ganze Idee des Mitteldeutschen Vereins.““) Darauf 
verwies das Auswärtige Amt dem Gesandten in Dresden, daß er das 
anmaßende sächsische Schriftstück angenommen habe, und begnügte sich die 
Beschuldigungen der Denkschrift kurz zu widerlegen. 
Unterdessen arbeitete Hannover heimlich an einem Vereine der Küsten- 
staaten. Am 27. März 1830 kam zu allgemeiner Ueberraschung der 
Eimbecker Vertrag zu Stande, ein Werk Grote's, die Grundlage des spä- 
teren norddeutschen Steuervereins. Hannover, Oldenburg, Braunschweig 
und Kurhessen verpflichteten sich, innerhalb des mitteldeutschen Vereins 
einen Zollverein mit gemeinschaftlichen niedrigen Zöllen zu bilden. Vor- 
derhand war Alles freilich noch Entwurf. Daß die Küstenstaaten sich 
zusammenthaten, erschien nicht ganz unnatürlich; Motz selbst urtheilte 
mild über den Eimbecker Vertrag. Hannover war nun einmal unfrei 
der englischen Handelspolitik gegenüber; auch bestand damals weit ver- 
breitet und festgewurzelt die Meinung, daß die Volkswirthschaft der Nord- 
seeküste von den preußischen Zuständen sehr weit abweiche — ein Vor- 
urtheil, das erst nach zwei Jahrzehnten überwunden wurde. Um so mehr 
mußte die Theilnahme des Binnenlandes Kurhessen befremden. Die 
Luft war schwül in dem unglücklichen Lande. Die Reichenbach befürchtete 
einen Aufstand; irgend etwas, stellte sie dem Kurfürsten vor, müsse ge- 
schehen, um das mißhandelte Volk zu beschwichtigen.“) Da nun der 
Kurfürst nicht mit Preußen gehen wollte, so schloß er den Eimbecker Ver- 
trag, der mindestens an der hannoverschen Grenze Erleichterungen ver- 
sprach. — 
Das war die Lage der deutschen Volkswirthschaft, als die Juli- 
Revolution herein brach, das alte System in den Hauptstaaten des Mittel- 
deutschen Handelsvereins über den Haufen warf und also dem Vereine 
den letzten Stoß gab. 
Motz selber sollte den vollständigen Sieg seiner Ideen nicht erleben; 
er starb, erst vierundfünfzigjährig, am 30. Juni 1830. Er nahm ins 
Grab die feste Zuversicht, daß Preußens Handelspolitik die eingeschlagenen 
Bahnen nicht mehr verlassen könne; „mein eigenes Departement macht 
mir am wenigsten Sorge,“ sagte er oft in seinen letzten Tagen. Wie 
gänzlich hatte sich Preußens deutsche Machtstellung verändert in den fünf 
Jahren, seit dieser Mann den Staatshaushalt leitetel Die ausländische 
Presse selbst, die sonst so gleichgiltig an den deutschen Dingen vorüber- 
ging, fing schon an aufzumerken. Wenn diese Staaten, schrieb der Con- 
stitutionel, schon die Einheit ihrer Handelsinteressen erkennen, so werden 
sie auch bald entdecken, daß sie dieselben politischen Interessen haben, und 
  
*) Motz an Eichhorn, 29. Nov. 1829. 
**) So erzählt Blittersdorff, 16. Mai 1830, übereinstimmend mit Maltzan's Be- 
richten.
	        
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