Trilogie der Leidenschaft. 687
und gestand, im Innersten erschüttert, wie ihn die Götter sein Leben lang
durch das Geschenk der Pandora geprüft hätten:
Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich und richten mich zu Grunde.
Die Sprüche und Gedichte, die sich wie eine Perlenschnur durch seine
alten Tage schlangen, wurden der Größe wie der Kleinheit, dem Ewigen
wie dem Vergänglichen des Menschenlebens gerecht. Er mahnte die
Brüder der Loge, sich der langen Folge der Jahrhunderte bewußt zu
bleiben, weil das Beständige der irdischen Tage uns ewigen Bestand ver—
bürge; aber er wußte auch, daß der schwache Mensch doch nur am Tage
den Tag lebt, und gab ihm jenen herzhaften Trost, der so vielen redlich
Schaffenden die Augen trocknen und die ermattenden Arme stählen sollte:
Liegt Dir gestern klar und offen,
Wirkst Du heute kräftig, frei,
Darfst auch auf ein Morgen hoffen,
Das nicht minder glücklich sei.
Goethe hatte die Genossen seiner Jugend schon alle begraben und stand
längst in dem Alter, das den Tod gelassen als eine gemeine Schickung
hinnimmt; gleichwohl fühlte er sich tief ergriffen und konnte nur in der
gewohnten Einsamkeit auf den Dornburger Schlössern den Frieden des
Gemüthes wiederfinden, als auch sein großer fürstlicher Freund vor ihm
dahinging. Karl August starb am 28. Juni 1828 auf der Rückreise von
Berlin, wo er mit jugendlicher Wißbegierde alles Neue und Schöne was
die letzten Jahre geschaffen betrachtet hatte. Die letzten Tage über mußte
Humboldt beständig um ihn sein; der greise Fürst ward nicht müde den
Gelehrten auszuforschen über die schwierigsten Fragen der Naturwissen-
schaft; hell und lauter schlugen die Flammen seiner großen Seele noch
einmal aus dem gebrechlichen Körper auf; mit Verachtung sprach er von
der erkünstelten Frömmelei dieser Tage, aber auch mit Ehrfurcht von der
menschenfreundlichen Lehre des ursprünglichen Christenthums. Dann ver-
schied er im Schlosse Graditz, die Augen der Abendsonne zugewendet. Das
alte Weimar war nicht mehr. Auch Goethe fühlte das Bedürfniß des
Alters, mit dem Vergangenen abzuschließen, und veröffentlichte seinen
Briefwechsel mit Schiller. Bald nachher, im Frühjahr 1830, ließ Wilhelm
Humboldt die Briefe erscheinen, welche er einst mit Schiller gewechselt
hatte, und schilderte im Vorwort die Natur des Dichters mit congenialem
Verständniß. Das junge Geschlecht war aber in neuen Sorgen und
Kämpfen zu tief befangen um das Vermächtniß einer großen Zeit dankbar
aufzunehmen; erst in späteren, ruhigeren Tagen erkannte die Nation, welch
ein Schatz künstlerischer Weisheit in diesen Briefen lag.
Durch den Zauber der alten Erinnerungen wurde Gocthe dem leben-
digen Schaffen der Gegenwart nicht entfremdet. Grillparzer und andere
junge Dichter erfreuten sich seines ermunternden Zuspruchs, und mit