Solidarobligation und Korrealobligation. 695
auf jeden nur pro parte entfällt, wie beim Erbgang (c. 6 C. 3, 36). Das letzte
Verhältniß getheilter Obligation ist bei Verträgen sogar nach Römischem Rechte
(fr. 11 § 2 D 45, 2) zu präsumiren.
Wo aber die beschriebene Identität des Leistungsgegenstandes vorhanden ist,
da thut es dem Begriff der Gesammtobligation keinen Eintrag, wenn das Forde-
rungsrecht oder die Leistungspflicht für den einen der Betheiligten bedingt oder be-
fristet ist, für den anderen nicht oder anders bedingt oder befristet (§ 2 I. 3, 16);
ebensowenig, als es der Gültigkeit der Gesammtobligation schadet, wenn etwa von
den sich gemeinsan Verpflichtenden Einzelne verpflichtungsunfähig sind (kfr. 12
5 1 D. 45, 2).
Es giebt nun eigentlich drei Arten eines solchen Gesammtschuldverhältnisses:
die Korrealobligation, die sog. blos solidarische Obligation oder nach Savigny's
Bezeichnung (Obligationenrecht, I. §§8 20, 21) die unechte Korrealobligation und
die Obligation mit untheilbarer Leistung. Man hat diesen Unterschied aber erst
spät erkannt. Bis auf die Arbeit Ribbentrop's, Zur Lehre von den Korreal-
obligationen, 1831, pflegte man jede einheitliche Obligation mit Mehrheit der Sub-
jekte als obligatio correalis zu bezeichnen; der Ausdruck war dem nur in einer
Digestenstelle im Sinne von „Mitschuldner“ vorkommenden Worte conreus (fr. 3 § 3
D. 34, 3) entnommen. Auch Ribbentrop hat die Konsequenzen seiner Entdeckung
nicht alle gezogen, erst Savigny hat in seinem Obligationenrecht, I. 8§ 16—27,
den Ausbau der Ribbentropf'schen Idee in Angriff genommen.
Den Differenzpunkt zwischen der Korrealobligation und jenen beiden anderen
Gesammtobligationsverhältnissen findet die neuere Theorie meist darin, daß bei der
Korrealität una eademque obligatio für alle Subjekte vorliege, während bei jenen
plures obligationes, und zwar so viele als das Multiplum der Schuldneranzahl und
der Gläubigerziffer ausmacht, vorhanden seien. Diese Auffassung (sog. Einheits-
theorie) verträgt sich freilich nicht mit dem Sprachgebrauch der Quellen, welche für
die plures rei promittendi und stipulandi, d. h. für den typischen Fall einer
Korrealobligation zwar an vielen Stellen una obligatio, aber an anderen auch plures
obligationes annehmen (z. B. fr. 13 D. 45, 2; fr. 5 D. 46, 1; Fitting, a. a. O.
§ 4); allerdings würde es auf solche Abweichungen, wenn die Theorie von der
una obligatio brauchbar wäre, nicht ankommen. Manche Schriftsteller lassen sich
jedoch durch den Sprachgebrauch der Quellen bewegen, auch bei der Korrealobliga-
tion eine Mehrheit von Obligationsverhältnissen anzuerkennen (sog. Mehrheitstheorie),
Andere suchen beide Theorien zu kombiniren (z. B. Baron, Die Gesammtrechts-
verhältnisse, § 19: die Korrealobligation enthalte für den einzelnen Betheiligten je
eine, für die Gesammtheit aller Betheiligten nur eine obligatio), wieder Andere gehen
der Alternative, ob unga obligatio oder plures obligationes, ganz aus dem Wege und
konstruiren die Korrealobligation z. B. als ein Obligationsverhältniß, in welchem
jeder auf derselben Seite Betheiligte Vertreter des anderen sei (Brinz), oder als
eine Obligation mit alternativem Inhalt, deren Unbestimmtheit hinsichtlich der
Person, die sie geltend mache, oder hinsichtlich der Person, gegen welche sie geltend
gemacht werde, erst durch die von einem der Gläubiger oder Schuldner getroffene
Auswahl zu heben sei (Fitting a. a. O., 136 ff. Dazu jetzt: Pescatore,
Die sog. alternative Obligation, 1880 S. 23 ff.). — Ueber die Vertreter dieser
verschiedenen Meinungen s. die Zusammenstellung bei Windscheid, Pand., II.
§ 293, 1; § 298, 3; Arndts, Pand., § 213, 5. —
Für die Darstellung erscheint es am zweckmäßigsten, von der Möglichkeit eines
prinzipiellen Gesichtspunktes abzusehen und auf das Detail der Wirkungen einzugehen,
welche das Römische Recht den Gesammtobligationen beimißt. Dieser Verzicht wird
sich namentlich dadurch rechtfertigen, daß die Durchführbarkeit eines Prinzips an
allen Wirkungen dieser Obligationen gegründeten Bedenken unterliegt.