86 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's.
Wahrheit, daß jede Steuer von einem Theile der Pflichtigen auf die
Schultern Anderer abgewälzt wird und jede gewohnte Abgabe in ihrem
Bestande selbst einen gewissen Vorzug besitzt, war so recht nach seinem
Herzen. Er wußte, daß jede Steuer, wirthschaftlich betrachtet, ein Uebel ist,
und nichts schien ihm vorwitziger als der Versuch, einer unerreichbaren
Gerechtigkeit zu Liebe allzu tief in hergebrachte Lebensverhältnisse einzu—
greifen. In diesem Geiste behutsamer Vermittelung waren auch seine
Gesetzentwürfe gehalten.
Das neue Budget schloß mit einem Deficit von mehr als 4 Millionen,
und da Hardenberg außerdem noch reichlich 6 Millionen unhaltbarer alter
Abgaben in den einzelnen Landestheilen aufzuheben gedachte, so mußten
10⅛ Mill. Thlr. durch neue Steuern aufgebracht werden. Um diesen
Ausfall zu decken, erneuerte Hoffmann den Vorschlag einer allgemeinen,
nach Klassen abgestuften Personensteuer, den er schon 1817, im Anschluß
an die Wünsche der Notablenversammlungen, aufgestellt hatte.) Aber er
wagte nicht die Einführung dieser Steuer für das ganze Staatsgebiet zu
beantragen. Seit den Tagen des großen Kurfürsten war das Abgaben-
wesen des flachen Landes von dem der Städte immer getrennt geblieben,
indem dort die Grundsteuer, hier die Accise als Hauptsteuer erhoben
wurde; erst in dem Jahre der großen Hardenbergischen Versprechungen
1810 hatte man gewagt, diesen tief eingewurzelten Dualismus aufzuheben,
aber den verfrühten Versuch schon nach einem Jahre wieder fallen lassen,
und seit 1811 bestanden in den Städten der alten Provinzen wieder
mehrere Consumtionssteuern, auf dem Lande eine rohe Kopfsteuer.“") An
diesen gewohnten Zuständen wollte Hoffmann so wenig wie möglich ändern
und schlug daher vor, die neue Klassensteuer auf das flache Land und die
kleinen Städte zu beschränken, in den größeren Städten dagegen eine un-
gleich ergiebigere Mahl-- und Schlachtsteuer einzuführen. Zur Ergänzung
der beiden Hauptsteuern sollte eine mäßig bemessene Gewerbesteuer auf
einige der einträglichsten Gewerbe gelegt werden.
Das schwerste Hinderniß der Reform lag in der allgemein beklagten
Ungleichheit der alten Grundsteuern; sie zeigte sich besonders gehässig in
Posen, wo noch von den Tagen der sarmatischen Adelsherrschaft her die
Podymna bestand, eine nach der Zahl der Rauchfänge erhobene Abgabe,
die den kleinen Besitzer ganz unverhältnißmäßig drückte. Indeß die Aus-
gleichung der Grundsteuer war unmöglich ohne die Katastrirung des ge-
sammten Gebietes, und so lange konnte der erschöpfte Staat auf seine
neuen Einnahmen nicht warten. In solcher Verlegenheit kam Hoffmann
wieder auf den unglücklichen Gedanken der Quotisirung zurück, der im
Staatsrath schon vor drei Jahren verworfen, gleichwohl unter den unzu-
friedenen Rheinländern und Westphalen noch immer warme Vertheidiger
*) S. o. II. 208. *7) S. o. I. 35. 371. 375. (5. Aufl.)