Anerkennung Belgiens. 93
es werde ihm gelingen, England von Frankreich zu trennen und bei
dem alten Vierbunde festzuhalten, während die russische Politik doch
nur das Gegenteil bewirken konnte.“) Je weiter die Ostmächte ihre
Genehmigung hinausschoben, um so fester schlossen sich die beiden Schutz-
mächte Belgiens aneinander. Lord Palmerston hatte längst die Geduld
verloren und schon im Dezember, zum Danke für Friedrich Wilhelms
ehrliche Versöhnungsversuche, ein grobes Schreiben an Ancillon gerichtet,
worin er die preußische Regierung beschuldigte, sie verstecke ihre Zögerungen
„hinter einer Phrase“. Er schlug hier bereits jenen anmaßenden Ton
an, der ihm bald zur anderen Natur wurde und viel dazu beitrug, den
englischen Namen bei allen Völkern in Verruf zu bringen. Offenbar
hoffte er Preußen einzuschüchtern, doch der Streich mißlang. Es blieb
dabei, daß Bülow die preußische Ratifikation, die er schon seit Anfang
Januar in der Tasche trug, erst nach der Einigung aller Großmächte
übergeben durfte.)
Nachdem nun endlich der Widerstand des Zaren gebrochen war,
sprachen Osterreich und Preußen am 18. April, Rußland am 4. Mai
1832 ihre förmliche Genehmigung aus. Die beiden deutschen Mächte
verwahrten wieder ausdrücklich das Recht des Bundes auf Luxemburg;
der Zar verwies, noch immer grollend, in einem vieldeutigen Vorbehalte
auf die künftige Verständigung der beiden Könige Niederlands. Im
Spätsommer wurden dann Leopolds Gesandte in Berlin und Wien
empfangen, während Nikolaus und nach seinem Beispiele auch König
Ludwig von Bayern, sowie mehrere andere streng legitimistische deutsche
Fürsten den diplomatischen Verkehr mit dem neuen Brüsseler Hofe vor-
läufig noch verschmähten.
Das lange Zaudern hatte die Kluft zwischen dem Westen und dem
Osten sichtlich erweitert. Palmerstons zunehmende Ungezogenheit zeigte
selbst dem Zaren, daß Europa in zwei feindliche Heerlager zerfiel, und
Metternich meinte ingrimmig: den drei Verbündeten treten die beiden
Spießgesellen (complices) gegenüber. Unverkennbar standen die Spieß-
gesellen im Vorteil, denn sie wußten, was sie wollten. Sie verlangten,
daß König Wilhelm, der noch die Zitadelle von Antwerpen sowie zwei
kleine Festen an der Schelde besetzt hielt, mindestens das belgische Gebiet
räumen müsse, und waren bereit, selbst durch die Waffen seinen Trotz
zu brechen, während die Ostmächte solchen Zwang gegen den alten Ver-
bündeten weder billigen noch verhindern mochten. Als der Sommer
wieder über fruchtlosen Verhandlungen mit dem Haag vergangen war,
*) Nesselrode, Weisung an Lieven 19. Januar a. St., an Maltitz 17. Februar
a. St. 1832.
*“) Palmerston an Anecillon, 30. Dez. 1831. Bernstorff, Bericht an den König
6. Jan. Ancillon an den Gesandten Chad 7. Jan., an Bülow 8. Jan. 1832.