4 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede.
um den Erdkreis. Achtzehn Jahre darauf sollten sie dann nochmals
durch einen Straßenkampf den Anstoß geben zu einer europäischen Be-
wegung, aber auch nur den Anstoß von außen her: Frankreichs Gedanken
beherrschten die Welt nicht mehr, die nationale Bewegung in Deutschland
und Italien verfolgte Ziele, welche mit den weltbürgerlichen Lehren der
Revolution wenig gemein hatten. Nach vierzig Jahren war endlich die
nachwirkende Kraft der alten Größe gänzlich gebrochen; die ernüchterte
Welt sah in diesem Volke nicht mehr den Lichtbringer, sondern den
Friedensstörer der Staatengesellschaft, die republikanische Schilderhebung
der Pariser im September 1870 weckte in Europa kaum noch ein Echo.
Ebenso langsam und unaufhaltsam war zwei Jahrhunderte zuvor die
spanische Weltmacht von ihrer Höhe herabgesunken. Hier wie dort wirkten
die großen Erinnerungen noch gewaltig fort, als die Pfeiler der Macht
schon längst vermorscht waren, hier wie dort hielt sich die Nation noch
für die erste der Welt, als mit einem Schlage hier durch die Schlacht
von Sedan, dort durch den Pyrenäischen Frieden die Verschiebung der
Machtverhältnisse offenbar wurde.
Im Sommer 1830 konnten freilich nur vereinzelte scharfblickende
Staatsmänner den beginnenden Verfall Frankreichs erkennen. Die „große
Woche“ der Pariser veränderte die ganze Lage der Welt; sie erschütterte
das politische System der legitimen Großmächte weit stärker als zehn
Jahre früher die Revolutionen Südeuropas; sie beschleunigte überall die
längst schon begonnene Zerstörung der alten Ständeherrschaft. Der Unter-
gang des Adels und die Herrschaft der Bourgeoisie in Frankreich entflammten
das erstarkte Selbstgefühl der bürgerlichen Klassen zu neuen Hoffnungen
und Ansprüchen. Unterdessen begann das zweite große Zeitalter der
Entdeckungen und Erfindungen zu tagen, Wohlstand und Verkehr nahmen
einen unerhörten Aufschwung. Die neuen Weltmächte der Großindustrie,
der Börse, des Judentums traten ihre Herrschaft an, und zugleich regte
sich schon der Klassengegensatz von Kapital und Arbeit. Die Zeit der
Restauration stand mit ihrer feinen Sitte, ihren romantischen Träumen
und ihrer andächtigen geistigen Arbeit, mit ihren Diplomatenkongressen
und höfischen Festen dem aristokratischen alten Jahrhundert noch sehr
nahe. Erst seit der Juli-Revolution, vollständig erst seit dem Jahre 1848,
zeigt die Gesittung des neunzehnten Jahrhunderts ihr eigenes Gepräge.
Ein neues Geschlecht kommt herauf, demokratisch in Sitten und Gedanken,
formlos und kurz angebunden, unersättlich in seinen Ansprüchen, tief
überzeugt von seiner eigenen Güte und noch tiefer von der Verworfenheit
seiner Gegner, unternehmend und arbeitsam, kühn und erfinderisch im
Kampfe mit den Elementen, durch die Weite seines Gesichtskreises und
die Vielseitigkeit seiner Interessen allen früheren Zeiten überlegen, aber
auch hastig, unstet, ohne Sammlung des Geistes, ohne Sicherheit der
Weltanschauung. Alles Leben der Völker drängt sich auf den Markt