Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

118 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland. 
Der junge Welfe war in Verzweiflung. Das stand ihm fest, daß er 
nur als Herzog, nicht als Statthalter seines erklärten Feindes regieren 
konnte; aber wenn die Bundesversammlung ihm die Thronbesteigung nicht 
gestatten wollte, dann war er schon halb entschlossen, die Regierung nieder— 
zulegen und sofort abzureisen. Von Hannover hatte er rasches Eingreifen 
nicht zu erwarten; dort war der Bedenklichkeiten abermals kein Ende und 
nur der eine Rat zu erlangen, daß man „mit der äußersten Vorsicht 
verfahren“ müsse.“) So blieb wieder nur Preußens Hilfe übrig. Am 
7. April zeigte der Herzog seinem Freunde Wittgenstein an, daß er den 
Grafen Veltheim, den er inzwischen in sein Ministerium berufen hatte, 
abermals mit vertraulichen Aufträgen nach Berlin senden werde. 
Noch ehe Veltheim eintraf, hatte der preußische Hof seinen Entschluß 
gefaßt. Als Schutzmacht des deutschen Nordens konnte Preußen es nicht 
verantworten, daß der unsichere Zustand in dem Herzogtume noch länger 
währte; die von den Braunschweigern geplante eigenmächtige Huldigung 
mußte auf jeden Fall verhindert werden. Darum sollte Herzog Wilhelm 
sofort als rechtmäßiger Erbe des durch die Agnaten für regierungsunfähig 
erklärten Herzogs die Krone übernehmen und noch vor seinem Geburts- 
tage den Untertanen die Eidesleistung anbefehlen. Eine richterliche Ent- 
scheidung über den Beschluß der Agnaten stand dem Bundestage nicht zu; 
er hatte nur das Recht, den neuen Herzog als Mitglied des Deutschen 
Bundes anzuerkennen, und diese Anerkennung konnte er auch nachträglich, 
nach erfolgtem Regierungswechsel aussprechen. In solchem Sinne ant- 
wortete Bernstorff auf Veltheims Frage, was nun zu tun sei; er be- 
dauerte, daß die Uneinigkeit des Bundestags zu solchen Schritten nötige, 
aber Preußen habe seine Ansicht nie verhehlt und werde den jungen Herzog 
auch jetzt nicht verlassen. ) Bei den guten Ratschlägen blieb es nicht. 
Eichhorn selbst, der diesen Handel ebenso eifrig betrieb wie die Zollvereins- 
sache, prüfte die von Veltheim vorgelegten Entwürfe für das Patent, das 
der Herzog bei seinem Regierungsantritt erlassen sollte, und da er sie alle 
ungenügend fand, so schrieb er eigenhändig ein neues Patent.“) Mit 
einer Abschrift davon eilte Veltheim nach Braunschweig zurück. Also des 
preußischen Beistandes sicher, schöpfte der junge Herzog frischen Mut; er 
nahm den Entwurf Eichhorns Wort für Wort an und sendete gerührt 
seinen Dank: „Ohne den kräftigen Beistand, welchen der königliche Hof 
dieser für mich und das Land so hochwichtigen Angelegenheit hat ange- 
deihen lassen, wäre sie wohl nie zu dem erwünschten Ziele gelangt.“) 
  
*) Schleinitz an Stralenheim, 8. März, Antwort 14. März. Graf Bremer, 
Ministerialschreiben an das braunschw. Ministerium, Hannover 2. April 1831. 
**) Eichhorn, Weisung an Graf Maltzahn, 8. Apr. Bernstorff an Veltheim, 14. Apr. 1831. 
* *) Eichhorn, Entwurf für das Patent des Herzogs Wilhelm, o. D., am 16. April 
1831 von Graf Veltheim zurückgeschickt. 
) Herzog Wilhelm an Wittgenstein, 16. 19. April 1831.
	        
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