Thronbesteigung Herzog Wilhelms. 119
Am 20. April überraschte er sein Land durch die Veröffentlichung des
Patents. Eichhorn hatte die Worte so gewählt, daß der Bundestag an
der vollendeten Tatsache nichts mehr ändern konnte; nachdem der Herzog
seinen Regierungsantritt verkündigt und vor dem Lande gerechtfertigt hatte,
schloß er einfach: mit der Ableistung des neuen Huldigungseides werde
die definitive Anordnung, wozu der Bund die Agnaten eingeladen, „be—
wirkt sein“, und die Bundesversammlung davon benachrichtigt werden.
Die Braunschweiger frohlockten. Wie alle die freiheitsstolzen Bürger der
konstitutionellen Kleinstaaten waren sie gewohnt auf die preußische Knecht-
schaft tief herabzublicken; sie ließen sich's nicht träumen, daß das Patentihres
volksfreundlichen Wilhelms im Berliner Auswärtigen Amte geschrieben
war. Fünf Tage darauf konnten sie nun wirklich, wie sie gewünscht,
den Geburtstag ihres neuen Landesherrn durch die allgemeine Huldigung
feiern; aber die Eidesleistung erfolgte nunmehr auf Befehl des Herzogs,
nicht durch Volksbeschlüsse. In schwungvoller Rede feierte Bürgermeister
Bode „den Fürsten, der wie auf Windesflügeln in seine furchtbar bewegte
Stadt eilte“. Der junge Welfe dankte dem Grafen Bernstorff nochmals
vertraulich für seine „bleibenden Verdienste“ um Braunschweig und schrieb
an Wittgenstein: „Auch für mich war es ein Tag der Freude, welche voll-
kommen gewesen sein würde, hätte ich des betrübenden Gedankens an meinen
Bruder dabei mich erwehren können.“)
Dergestalt war die Frage ohne den Bundestag entschieden, und in dieser
unglücklichen Versammlung ward das Zerwürfnis täglich größer. Zu den
unbestreitbaren schweren Rechtsbedenken gesellten sich jetzt noch das Gefühl
beleidigter Würde und der allezeit wache Argwohn gegen Preußen. Schon
als die Agnaten ihre Erklärung einreichten, gelangte die in Frankfurt
blühende Klatscherei bald auf die rechte Fährte, und Nagler meldete:
„Wahrscheinlich hat Hannover das Geheimnis wenig bewahrt, daß die
von ihm aufgestellten Ansichten und Maximen größtenteils von Preußen
ihm suppeditiert seien.“ Nach dem letzten Schritt Herzog Wilhelms ließ
Bernstorff überall, selbst in Wien, offen aussprechen, daß der preußische
Hof dazu geraten habe. Über den Verfasser des Patents sagte er aller-
dings nichts; diese Enthüllung hätten die Nerven der deutschen Souveräne
schwerlich vertragen.“)
So war denn Österreichs Ränken Tür und Tor geöffnet. Während
Metternich treuherzig versicherte, er verhalte sich ganz leidend,*) warben
seine Leute in Frankfurt Tag für Tag Stimmen gegen Preußen, die
gewohnte Parteistellung verschob sich gänzlich. Neben Münch und seinem
Schatten Leonhardi standen nicht nur der unwandelbare Kurhesse und der
*) Herzog Wilhelm an Bernstorff, 26. April, an Wittgenstein, 26. April 1831.
*) Naglers Bericht, 7. März. Weisung an Maltzahn in Wien, 12. Mai 1831.
*) Maltzahns Bericht, 25. April 1831.