Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

sterreichs Umtriebe für Herzog Karl. 121 
bemerkte Graf Grünne gemütlich: durch Herzog Wilhelms Regierungs— 
antritt habe sich der Stand der Sache verändert, und es scheine vor 
allem erforderlich, zu vernehmen, wie die Bundesregierungen „diesen un— 
erwarteten Vorschritt“ beurteilten. Die Erklärung wurde nicht nur ganz 
eigenmächtig abgegeben, sie verstieß auch offenbar gegen die Geschäftsord— 
nung, da lediglich der Antrag der Agnaten zur Abstimmung stand. 
Gleichwohl ging der pflichtgetreue Präsidialgesandte sofort darauf ein 
und hielt einen langen, unverkennbar wohlvorbereiteten Vortrag über die 
Thronbesteigung des jungen Welfen. Er verdammte diese „höchst bedauerns- 
werte Tatsache“ mit scharfen, geradezu beleidigenden Worten; er behaup- 
tete, das Ansehen des Bundes sei verletzt durch die vorgreifende, keineswegs 
gerechtfertigte Handlungsweise des Herzogs, und schloß mit dem Antrage: 
der Bundestag möge den Vorgang in sein Protokoll verzeichnen, den 
Regierungen alles weitere anheimstellen, aber zugleich aussprechen, daß 
„diese, ohne Zutun des Bundes vollzogene Anordnung"“ die Rechte der 
Nachkommen Herzog Karls nicht beeinträchtigen könne. Alsbald erhob 
sich Nagler, um Verwahrung einzulegen wider einen Antrag, der, ohne 
die Regierungen auch nur zu befragen, im voraus eine Rüge gegen das 
Verfahren des Herzogs aussprechen wolle; ein solcher aus dem Stegreif 
gefaßter Beschluß sei null und nichtig.*) Aber die österreichische Partei 
hielt bei ihrem Führer aus; nur zwei Stimmen vertauschten ihre Stelle, 
Mecklenburg ging zu Österreich, Württemberg zu Preußen über. Die k. k. 
Uberrumpelung gelang vollkommen. Da über diesen unvermuteten Vor- 
schlag niemand instruiert war, so stimmte auch Graf Grünne wohlgemut 
mit, und dank dem Luxemburger wurde Münchs Antrag mit einer 
Stimme Mehrheit angenommen. Welch ein Ergebnis! Nach zwei Monaten 
hatte der Bundestag über die Erklärung der Agnaten noch immer nichts 
entschieden, wohl aber durch einen rechtlich anfechtbaren und praktisch un- 
wirksamen Beschluß seinen Arger bekundet wegen der Huldigung der 
Braunschweiger. 
Kaiser Franz stand nicht an, dem jungen Herzoge selber auszusprechen, 
daß er diesen Bundesbeschluß billige: „Ich bin es den Grundsätzen, welche 
mir während einer neununddreißigjährigen Regierung der mir von der 
Vorsehung anvertrauten Staaten zur Richtschnur dienten, schuldig, Ew. 
Liebden frei und offen zu bekennen, wie sehr ich Ihren so bedenklichen 
Schritt bedauere.“**) Preußen aber setzte alle Hebel ein, um endlich die 
Anerkennung des Beschlusses der Agnaten zu erwirken. Zunächst galt 
es, die luxemburgische Stimme, die allein noch ausstand, für Preußen 
zu gewinnen. Dies gelang dem Gesandten im Haag, dem Grafen Truch- 
seß, ohne besondere Mühe, weil der König der Niederlande alle deutschen 
Angelegenheiten mit vollkommener Gleichgültigkeit betrachtete und wegen 
*) Naglers Berichte, 11. 21. 26. Mai 1831. 
**) K. Franz an H. Wilhelm, 30. März 1831. 
 
	        
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