sterreichs Umtriebe für Herzog Karl. 121
bemerkte Graf Grünne gemütlich: durch Herzog Wilhelms Regierungs—
antritt habe sich der Stand der Sache verändert, und es scheine vor
allem erforderlich, zu vernehmen, wie die Bundesregierungen „diesen un—
erwarteten Vorschritt“ beurteilten. Die Erklärung wurde nicht nur ganz
eigenmächtig abgegeben, sie verstieß auch offenbar gegen die Geschäftsord—
nung, da lediglich der Antrag der Agnaten zur Abstimmung stand.
Gleichwohl ging der pflichtgetreue Präsidialgesandte sofort darauf ein
und hielt einen langen, unverkennbar wohlvorbereiteten Vortrag über die
Thronbesteigung des jungen Welfen. Er verdammte diese „höchst bedauerns-
werte Tatsache“ mit scharfen, geradezu beleidigenden Worten; er behaup-
tete, das Ansehen des Bundes sei verletzt durch die vorgreifende, keineswegs
gerechtfertigte Handlungsweise des Herzogs, und schloß mit dem Antrage:
der Bundestag möge den Vorgang in sein Protokoll verzeichnen, den
Regierungen alles weitere anheimstellen, aber zugleich aussprechen, daß
„diese, ohne Zutun des Bundes vollzogene Anordnung"“ die Rechte der
Nachkommen Herzog Karls nicht beeinträchtigen könne. Alsbald erhob
sich Nagler, um Verwahrung einzulegen wider einen Antrag, der, ohne
die Regierungen auch nur zu befragen, im voraus eine Rüge gegen das
Verfahren des Herzogs aussprechen wolle; ein solcher aus dem Stegreif
gefaßter Beschluß sei null und nichtig.*) Aber die österreichische Partei
hielt bei ihrem Führer aus; nur zwei Stimmen vertauschten ihre Stelle,
Mecklenburg ging zu Österreich, Württemberg zu Preußen über. Die k. k.
Uberrumpelung gelang vollkommen. Da über diesen unvermuteten Vor-
schlag niemand instruiert war, so stimmte auch Graf Grünne wohlgemut
mit, und dank dem Luxemburger wurde Münchs Antrag mit einer
Stimme Mehrheit angenommen. Welch ein Ergebnis! Nach zwei Monaten
hatte der Bundestag über die Erklärung der Agnaten noch immer nichts
entschieden, wohl aber durch einen rechtlich anfechtbaren und praktisch un-
wirksamen Beschluß seinen Arger bekundet wegen der Huldigung der
Braunschweiger.
Kaiser Franz stand nicht an, dem jungen Herzoge selber auszusprechen,
daß er diesen Bundesbeschluß billige: „Ich bin es den Grundsätzen, welche
mir während einer neununddreißigjährigen Regierung der mir von der
Vorsehung anvertrauten Staaten zur Richtschnur dienten, schuldig, Ew.
Liebden frei und offen zu bekennen, wie sehr ich Ihren so bedenklichen
Schritt bedauere.“**) Preußen aber setzte alle Hebel ein, um endlich die
Anerkennung des Beschlusses der Agnaten zu erwirken. Zunächst galt
es, die luxemburgische Stimme, die allein noch ausstand, für Preußen
zu gewinnen. Dies gelang dem Gesandten im Haag, dem Grafen Truch-
seß, ohne besondere Mühe, weil der König der Niederlande alle deutschen
Angelegenheiten mit vollkommener Gleichgültigkeit betrachtete und wegen
*) Naglers Berichte, 11. 21. 26. Mai 1831.
**) K. Franz an H. Wilhelm, 30. März 1831.